Das Massaker von Katyń: Menschenrechte und die Katyń-Lüge

Anna Skiendziel Komplex der Fach- und Sekundarschulen Nr. 2, Katowice, Polen

15-20 Jahre

90 Minuten

Zusammenfassung: Die Unterrichtseinheit bezieht sich auf das Denkmal zum Gedenken an die Opfer des Massakers von Katyń. Das Denkmal befindet sich auf dem Powązki-Friedhof in Warschau. In der Unterrichtsstunde werden zwei Themen angesprochen: Einerseits lernen die Schüler*innen die Geschichte des Katyń-Massakers und die Verletzung des Völkerrechts kennen; andererseits wird das Konzept der Katyń-Lüge angesprochen,1 d. h. wie und warum die Sowjetunion über Jahre hinweg versuchte, die Verbrechen zu vertuschen.

Schlüsselfrage:
Wie kann die Geschichte des Katyń-Massakers genutzt werden, um zu veranschaulichen, wie Denkmäler genutzt werden, um Kriegsverbrechen zu vertuschen?  

1 Die Katyń-Lüge wurde nach dem 11. April 1943 bekannt, als die Deutschen bekannt gaben, dass sie die Massengräber der von den Sowjets ermordeten polnischen Offiziere gefunden hatten. Die UdSSR wies die Verantwortung entschieden zurück und gab dem Dritten Reich die Schuld. Siehe Przewoźnik, A. & Adamska, J. (2011). Zbrodnia Katyńska. Mord, kłamstwo, pamięć. Kraków: Wydawnictwo Literackie.

Kompetenzerwerb

Die Schüler*innen werden
  • den Wert der Menschenrechte und die Bedeutung der Achtung der Menschenwürde anhand der Geschichte des Massakers von Katyń verstehen.
  • kritische Kompetenzen im Umgang mit historischen Informationen und Quellen entwickeln.
  • verstehen, dass es unterschiedliche Perspektiven auf dieselben historischen Ereignisse geben kann.
  • verstehen, dass vergangene Ereignisse nützlich sein können, um die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft zu gestalten.
  • analytische Denkfähigkeiten entwickeln.

Pädagogische Empfehlungen

Die Lektion sollte durchgeführt werden, nachdem der Zweite Weltkrieg bereits im Unterricht behandelt wurde. Die Schüler*innen sollten ein grundlegendes Verständnis der Geschehnisse während und nach dem Zweiten Weltkrieg sowie grundlegende Vorstellungen von internationalem Recht und Menschenrechten haben.

Das Katyń-Denkmal regt zur Diskussion über Menschenrechte, Werte, Desinformation und historische Lügen an. Um das Thema besser zu verstehen, müssen die Schüler*innen die Stätte nicht direkt besuchen.

Aktivitäten

Phase 1: Einführung. 5 Minuten
Die Lehrkraft erklärt kurz die Ziele der Stunde und warum das Thema Katyń so wichtig ist.

Phase 2: Fotovergleich und Diskussion. 25 Minuten
Zu Beginn der Stunde werden zwei Fotos des Katyń-Denkmals gezeigt. Ein Foto stammt vom Powązki-Friedhof in Warschau (Polen 2016), das andere von Katyń (Sowjetunion 1988).
Denkmal für das Massaker von Katyń auf dem Powązki-Friedhof, Warschau, Polen. Foto: R. Eugeniusz, PD, CC-BY-SA-3.0, Wikimedia Commons, File:Sady Żoliborskie, Warszawa, Poland - panoramio - Roman Eugeniusz (1).jpg 
Eine Gedenktafel mit einer Inschrift, die das Verbrechen den Deutschen zuschreibt, angebracht von den Sowjets auf dem Friedhof von Katyń 1988.
Text auf den Denkmälern: “Opfer des Faschismus - polnische Offiziere, die 1941 von den Nazis erschossen wurden.” Foto: Sammlung des Katyń-Museums.
Die Schüler*innen werden in 3er-Gruppen aufgeteilt und untersuchen die Fotos. Unter Anleitung der Lehrkraft versuchen die Schüler*innen, die folgenden Fragen der Reihe nach zu beantworten. Nach jeder Frage wird die Zusammensetzung der Gruppen geändert. In jeder Gruppe schreiben die Schüler*innen die Antworten auf, damit sie sie mit ihren endgültigen Antworten vergleichen können. Jedes Mal können sie auch die Ergebnisse und Schlussfolgerungen der vorherigen Gruppen diskutieren.
  1. Was siehst du auf den Fotos?
  2. Gibt es Unterschiede zwischen den Denkmälern auf den Fotos?
  3. An welches Ereignis wird mit Hilfe dieser Denkmäler erinnert?
  4. Warum wurde das Datum auf einem der Fotos wohl auf 1941 geändert?
  5. Ist es wichtig, dass jemand das Datum des Massakers von Katyń ändern wollte? Wen würde das interessieren und warum?
Nachdem die Gruppenarbeit abgeschlossen ist, diskutiert die Klasse die Antworten auf die fünfte Frage. Die Diskussion dient auch als Einleitung für einen kurzen Vortrag der Lehrkraft über die Katyń-Lüge und die Gründe, warum die Sowjetunion diese Lüge propagierte.

Phase 3: Vortrag über die Geschichte der Katyń-Lüge. 15 Minuten
Die Lehrkraft sollte die Geschichte der Lüge erläutern und dabei auf die folgenden Punkte eingehen. Die Karte kann zum besseren Verständnis des Themas verwendet werden (siehe Anhang I).
  • Die Entdeckung von Massengräbern durch die Deutschen im Jahr 1941 (nach ihrem Angriff auf die UdSSR)
  • Die Leugnung durch die UdSSR und die Schuldzuweisung der UdSSR an die Deutschen
  • Die Forschungen der sowjetischen Kommissionen von Nikolai Burdenko
  • Die Nichtberücksichtigung des Massakers von Katyń in den Nürnberger Prozessen
  • Die Zensur in der Presse und in den Schulen während der kommunistischen Zeit
  • Die Selbstverbrennung des ehemaligen Heimatschutzsoldaten W. Badylak 1980 in Krakau gegen das Verschweigen der Wahrheit über Katyń
Zu diesem Zeitpunkt sollten die ersten 45 Minuten um sein. Dies ist ein geeigneter Zeitpunkt, um die erste Unterrichtsstunde zu beenden, wenn die Lernaktivitäten auf zwei Unterrichtsstunden aufgeteilt werden sollen. Wenn nicht, ist es ein guter Zeitpunkt für eine Pause.

Phase 4: Rekapitulation. 10 Minuten
Der nächste Teil der Lektion (oder die zweite Lektion, wenn das Material in zwei Lektionen aufgeteilt wird) beginnt damit, dass die Lehrkraft erneut das Foto des in Katyń gebauten Denkmals zeigt.

Die Lehrkraft fragt: Warum wollte die Sowjetunion ein solches Denkmal mit einer solchen Inschrift erst 1988 errichten? Die Frage dient auch dazu, den Inhalt der vorangegangenen Stunde in Erinnerung zu rufen. Sie stellt den Schüler*innen auch die polnische Perspektive und die polnischen Bemühungen um die Wahrheit über das Massaker von Katyń vor.

Phase 5: Geschichte des Denkmals.
10 Minuten
Nachdem die Lehrkraft den Inhalt der ersten Hälfte der Lektion in Erinnerung gerufen hat (die vorherige Lektion, wenn das Material geteilt wurde), zeigt sie den Schüler*innen einen Text über die Geschichte des Denkmals in Powązki (siehe Anhang II). Nach der Lektüre machen sich die Schüler*innen in Zweiergruppen Notizen über die Schwierigkeiten beim Gedenken an das Massaker von Katyń.

Phase 6: Diskussion. 10 Minuten
Anschließend kehrt die Lehrkraft zum Foto des Denkmals in Powązki und der fünften Frage zurück: Ist es wichtig, dass jemand das Datum des Massakers von Katyń ändern wollte? Wen würde das interessieren und warum? Die Schüler*innen werden nun gebeten, ihre aktuellen Antworten mit denen vom Beginn der Stunde zu vergleichen (oder mit denen der ersten Stunde, wenn das Material geteilt wurde). Die Lehrkraft und die Schüler*innen diskutieren über Menschenrechte und Werte während und nach dem Krieg.

Phase 7: Reflexion. 15 Minuten
Am Ende der Unterrichtsstunde findet eine kurze Reflexion/Diskussion statt. Die folgenden Fragen können zur Leitung und Unterstützung der Diskussion verwendet werden:
  • Warum reden wir über dieses Thema?
  • Welche Schlüsse können wir ziehen, wenn wir über das Katyń Massaker reden?
  • Warum ist ein kritischer Ansatz bei der Bewertung von Quellen und Informationen wichtig?

Bewertung

Im Folgenden sind einige Punkte aufgeführt, die als Anregung dienen können, wie die Lehrkraft die Lernaktivität während der Unterrichtsstunde bewerten kann:
  • Auf welchem Niveau nutzen die Schüler*innen ihre Beobachtungs- und Analysefähigkeiten? Wie gut können sie zwischen wichtigen/primären und unwichtigen/sekundären Informationen unterscheiden?
  • Wie viel tragen die Schüler*innen bei?
  • Wie gut sind die Schüler*innen in der Lage zu kooperieren und als Gruppe zusammenzuarbeiten?

Glossar

Kriegsrecht - der am 13. Dezember 1981 in der gesamten Volksrepublik Polen eingeführte Ausnahmezustand, der gegen die Verfassung der Volksrepublik Polen verstößt. Er wurde am 31. Dezember 1982 ausgesetzt und am 22. Juli 1983 wieder aufgehoben.

Der Sicherheitsdienst - eine Institution, die zum Schutz der staatlichen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung in der Volksrepublik Polen eingerichtet wurde.

Władysław Badylak (1904-1980) - ein Soldat der Heimatarmee, ein pensionierter Krakauer Bäcker, der sich an einen historischen Brunnen auf dem Krakauer Marktplatz kettete, sich mit Benzin übergoss und anzündete. Seine Tat war ein Protest gegen das Schweigen der Behörden zum Massaker von Katyń.

Stefan Niedzielak (1914-1989) - römisch-katholischer Priester, Kaplan der Heimatarmee und von WiN, Mitbegründer der Katyń-Familien.

WiN oder Zrzeszenie Wolność i Niezawisłość (dt.: Verein für Freiheit und Unabhängigkeit) - eine polnische antikommunistische Untergrundorganisation, die am 2. September 1945 gegründet wurde und bis 1952 aktiv war.

Föderation der Katyń-Familien - eine polnische Nichtregierungsorganisation, die Aktivisten aus dem ganzen Land mit dem Ziel zusammenbringt, der Opfer des Massakers von Katyń zu gedenken und die Erinnerung an die polnischen Opfer des Kommunismus in der UdSSR zu bewahren.

Die Heimatarmee (polnisch: Armia Krajowa, oder AK) - die größte Widerstandsbewegung im deutsch besetzten Polen während des Zweiten Weltkriegs. Die Heimatarmee wurde im Februar 1942 aus dem früheren Związek Walki Zbrojnej (Bewaffneter Widerstand) gebildet.

Anhang I - Karte des Massakers von Katyń

Karte des Massakers von Katyń. Autor: Lonio17, CC BY-SA 4.0, Wikimedia Commons, File:Katyn_a.png 

Anhang II - Die Geschichte der Errichtung des Denkmals in Powązki

Seit den 1950er Jahren gab es Versuche, an den Orten, an denen heute Denkmäler stehen, der Opfer des Massakers von Katyń zu gedenken. Jeder Versuch endete mit einer Reaktion der kommunistischen Behörden und des Sicherheitsdienstes.

Im Katyń-Tal gibt es zwei Denkmäler in Form von Kreuzen, die am 31. Juli 1995 offiziell eingeweiht wurden. Es handelt sich um das sogenannte „Sozialdenkmal“, das zweimal im Katyń-Tal aufgestellt wurde (zum ersten Mal 1981 und zum zweiten Mal 1995), und um das sogenannte „Regierungsdenkmal“, das 1985 errichtet wurde, ursprünglich mit einer anderen Inschrift.

Im Mai 1981 wurde in Warschau das illegale Bürgerkomitee für den Bau des Katyń-Denkmals gegründet. Am 31. Juli 1981 errichteten Mitglieder des Komitees im Katyń-Tal ein 4,5 Meter hohes Steinkreuz mit der Jahreszahl 1940, einem gekrönten Adler, einer Tafel mit den Aufschriften Katyń und Wojsko Polskie (Polnische Armee) sowie Pfosten mit den Namen der NKWD-Lager, in denen polnische Kriegsgefangene nach der Aggression der UdSSR gegen Polen im Jahr 1939 gefangen gehalten wurden. Die Initiatoren des Kreuzes waren die Priester Stefan Niedzielak und Stefan Melak. Noch in derselben Nacht wurde das Kreuz vom Sicherheitsdienst mit einem großen Kran demontiert und entfernt. Es wurden zwei weitere Versuche unternommen, ein Kreuz zu errichten, aber jedes Mal wurden die Kreuze entfernt. Zwischen April und März 1985 errichteten die Behörden der Volksrepublik Polen ohne vorherige Ankündigung und ohne eine Enthüllungszeremonie ein weißes, 4 Meter hohes Granitkreuz mit einer falschen Inschrift: Polnische Soldaten, Opfer des Nazifaschismus, ruhend in der Region Katyń - 1941. Der Text der Inschrift sorgte für Empörung unter den Polen und das Thema wurde in Zeitungen bis in die Schweiz hinein behandelt. Auch in Deutschland löste dies Empörung aus und wurde in einer Bundestagssitzung diskutiert. Bundeskanzler Helmut Kohl erklärte, dass die polnische Seite darüber informiert worden sei, dass die deutsche Regierung kein Verständnis für diese Geschichtsfälschung habe und sich durch diese Tatsache beleidigt fühle.

Im Jahr 1989 wurde einer der Initiatoren des Denkmals und der Hüter der Katyń-Familien, der Priester Stefan Niedzielak, ermordet. Ende März 1989 wurde die falsche Inschrift entfernt, aber über das wahre Datum und die für das Massaker von Katyń verantwortlichen Personen wurden keine Angaben gemacht. Die Situation änderte sich erst nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Regierung in Polen und dann der UdSSR.

Quellen:  Przewoźnik, A. & Adamska, J. (2010). Katyń. Zbrodnia, prawda, pamięć [Katyń. Verbrechen, Wahrheit, Erinnerung], Świat Książki: Warszawa; Wasilewski, W. (2009). ‘Pamięć Katynia. Działania opozycji’ [Die Erinnerung an Katyń. Aktivitäten der Opposition], Biuletyn IPN, 5(6), S. 60-70.

Anhang III - Empfohlene Lektüre und weitere Forschung für Lehrer*innen

Um mehr über das Massaker von Katyń und die anschließende Lüge zu erfahren, empfehlen wir die folgenden Quellen:

Leitfaden herunterladen

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