Anhang I – Hausaufgaben für die Schüler*innen
Lies die Informationen über die jüdische Gemeinde in Moldawien bis zum Zweiten Weltkrieg (Text A) und eine kurze Beschreibung des Ghettos von Kischinau (Text B).
Text A
Die ersten Juden kamen im 1. Jahrhundert mit den römischen Legionen, die das antike Gebiet Dakien erobert hatten, in das Gebiet zwischen den Flüssen Pruth und Dnjestr. Ab dem 15. Jahrhundert war die Republik Moldau eine wichtige Durchgangsstation für jüdische Kaufleute, die zwischen Konstantinopel und Polen reisten. Bis zum 18. Jahrhundert entstanden mehrere ständige jüdische Gemeinden in städtischen Siedlungen wie Orhei, Soroca, Beltsi und Ismail. Die meisten Juden waren im Handel tätig. Aus der Volkszählung von 1803 geht hervor, dass in allen 24 moldauischen Städten sowie in vielen Dörfern und Städten Juden lebten. Im Jahr 1836 war die jüdische Bevölkerung Bessarabiens auf 94.045 angewachsen, und im Jahr 1897 zählte sie bereits 228.620 Personen, was 11,8 % der Bevölkerung der Provinz entsprach. Im Jahr 1897 machte die jüdische Bevölkerung von Kischinau fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung aus (50.237, d. h. 46 % der Bevölkerung). Pogrome waren keine Seltenheit: Besonders bemerkenswert war der Pogrom von 1903, der international für Empörung sorgte. Tausende von moldauischen Juden wanderten aus, und die Vereinigten Staaten verurteilten das Massaker öffentlich und verhängten Handelsbeschränkungen gegen Russland.
1918 wurde Bessarabien (der östliche Teil der Republik Moldau) Teil Rumäniens. Die jüdische Gemeinde in diesem Gebiet erhielt die rumänische Staatsbürgerschaft und konnte jüdische Tagesschulen eröffnen, obwohl sie in den Augen der Bukarester Behörden generell als verdächtig galt, die sie genauso wie die anderen Minderheiten Bessarabiens, als potenzielle Agenten Moskaus betrachteten. In den 1930er Jahren entwickelte sich in Rumänien eine antisemitische Bewegung, die sich im Bildungswesen, in der Politik und in den sozialen Beziehungen bemerkbar machte. Während der Wirtschaftskrise erfuhren die Legionärsbewegung und andere antisemitische Organisationen einen stetigen Zuwachs an Popularität. 1934 wurde ein Gesetz verabschiedet, das die Beschäftigung von 80 % rumänischem Personal vorschrieb. Dieses Gesetz war der erste Schritt in Richtung einer härteren Gesetzgebung: das Verbot von Zeitungen, die Juden gehörten; die Annullierung der Eisenbahnausweise jüdischer Journalisten; die Annullierung aller Lizenzen für den Verkauf von Alkohol für Juden in ländlichen Gebieten; ein Gesetz zur Revision ihrer Staatsbürgerschaft. Die bereits bestehende antisemitische Gesetzgebung wurde durch die Diktatur von Marschall Ion Antonescuausgeweitet, einschließlich der Enteignung jüdischen Eigentums. Nach der Operation Barbarossa am 22. Juni 1941 wurde das Handels- und Industrieeigentum der Juden in Bessarabien beschlagnahmt. Sie wurden gezwungen, den Davidstern zu tragen und es wurden Ghettos für "Ostjuden" eingerichtet.
Quellen: ‘Moldova’, JGuideEurope, letzte Einsicht: 12.06.2022.
Scheib, A., ‘Moldova Virtual Jewish History Tour’, Jewish Virtual Library, letzte Einsicht: 12.06.2022.
Text B
Am 16. Juli 1941 rückten rumänische Truppen zusammen mit Einheiten der 9. Armee der Wehrmacht in Kischinau ein. Auf dem Weg dorthin löschten sie die jüdische Bevölkerung aus. Die genaue Zahl der in der Stadt verbliebenen Juden ist nicht bekannt. Einige wurden von der sowjetischen Regierung noch vor dem Krieg deportiert, andere wurden evakuiert oder von der Roten Armee eingezogen. Die übrigen konnten sich nicht vorstellen, was sie erwartete. Am 24. Juli 1941 erließ der Gouverneur von Bessarabien, General Voiculescu, den Befehl zur Einrichtung von Lagern für Juden vom Lande und zur Errichtung des Ghettos Kischinau. Das Ghetto wurde im unteren Teil der Stadt eingerichtet; es gab zwei Eingänge zum Ghetto. Die Ghettobewohner waren dem Hungertod geweiht. Die Kommandantur des Ghettos verbot den Verkauf von Produkten an Juden bis 11 Uhr morgens, und nach dieser Stunde waren sie ohnehin nicht mehr zu bekommen. Die Zahl, der durch Unterernährung und Krankheiten verursachten Todesfälle erreichte 10-15 pro Tag und wurde in den Berichten als "natürlicher Tod" aufgeführt. Einige Bauern, die das Risiko vernachlässigten, brachten Lebensmittel. Die Juden wurden ihrem Schicksal überlassen und verkauften ihre Sachen auf dem Markt, da dies praktisch die einzige Möglichkeit zum Überleben war. Morgens kamen Rumänen und Deutsche ins Ghetto und holten Männer, Frauen und Kinder zur Hausarbeit. Die Arbeitgeber bezahlten sie nicht nur nicht, sondern versorgten sie auch nicht. Der Kommandant notierte die Ungehorsamen, und bei der ersten Gelegenheit verschwanden die "Schuldigen" für immer.
Nach den Angaben vom 19. August 1941 befanden sich 9.984 Juden im Ghetto (2.523 Männer, 5.261 Frauen, 1.160 Mädchen und 1.040 Jungen). Mitte September befanden sich fast eintausend Menschen mehr im Ghetto. Von den 11.525 Häftlingen waren 4.168 Männer, 4.476 Frauen und 2.901 Kinder. Die Zunahme der Bevölkerung war darauf zurückzuführen, dass Juden aus den umliegenden Siedlungen im Ghetto Kischinau zusammengezogen wurden.
Ab dem 5. August waren die Juden der Stadt verpflichtet, den Davidstern zu tragen. Ziel der rumänischen Behörden war es, Bessarabien und die Bukowina durch Massendeportationen über den Dnjestr von den "jüdischen Elementen" zu "säubern". Die Deportation nach Transnistrien begann am 8. Oktober 1941. Die Deportation der Juden aus Bessarabien war die schiere kriminelle Inkompetenz. Die fehlende Vorbereitung und die extreme Gefühllosigkeit des rumänischen Militärs gegenüber den Juden war zu einem großen Teil für die schwindelerregend hohe Todesrate verantwortlich. Am höchsten war sie in der Region Transnistrien, einem Gebiet zwischen den Flüssen Dnjestr und Bug, das unter rumänische Besatzung kam. Die Juden wurden zu Fuß deportiert, und diejenigen, die mit den Gewaltmärschen nicht Schritt halten konnten (vor allem Kranke, Alte und Kinder), wurden von rumänischen und ukrainischen Wachleuten auf der Stelle erschossen. Die schlimmsten Lager waren Bogdanowka und Achmetschetka, wo die Juden verhungerten oder hingerichtet wurden. Es gibt keine Angaben über die Überlebenden dieser Lager.
Quelle: Life in Chișinău ghetto, JewishMemory, letzte Einsicht: 12.06.2022