Unterrichtsplan

Anna Cherepowa Europäisches Gymnasium, Moskau, Russland / Liudmila Gurinovich Oberschule „Belaweschskaja“, Belaweschski, Belarus / Taras Oleksyn Kinderzentrum für Tourismus, Sport und Exkursionen, Lwiw, Ukraine / Anna Skiendziel Komplex der Fach- und Sekundarschulen Nr. 2, Katowice, Polen

16-19 Jahre

90 minutes

Zusammenfassung

Nach dem Zweiten Weltkrieg verschoben sich die Grenzen vieler mittel- und osteuropäischer Staaten beträchtlich. Einige Städte wurden den Nachbarländern zugeschlagen, auch ihre Namen änderten sich. Diese Umbrüche wirkten sich tief und umfassend auf die lokale Bevölkerung aus. Die SuS arbeiten mit Karten und Quellen, die die Folgen der durch den Zweiten Weltkrieg verursachten Grenzverschiebungen in vier ostmittel- und osteuropäischen Regionen abbilden. Während der Gruppenarbeit lernen sie die Geschichte dieser Regionen kennen und verfolgen die Veränderungen von Staatsgrenzen und Ortsnamen nach dem Zweiten Weltkrieg und erfahren auch, welche Folgen diese Prozesse für die lokale Bevölkerung hatten (am Beispiel von Grenzen und Ortsnamen lassen sich die Veränderungen leicht veranschaulichen).

Hinweise für die Lehrkraft

-> Diese vier Städte sind nur einige Beispiele aus einer Vielzahl ähnlicher Fälle. Anhand dieser Beispiele können die SuS die Situation anderer Städte mit vergleichbarem Schicksal nachvollziehen.

-> Die Metaplan-Methode (mehr dazu s. unten) setzt auf möglichst breite und offene Fragen. Dabei gibt es keine falschen Antworten und die SuS können sich so äußern und in die Inhalte vertiefen, wie sie selbst wollen.

-> Die Quellenauswahl kann an die Bedürfnisse der jeweiligen Klasse angepasst werden.

Schlüsselfrage

Wie haben sich die Verschiebungen von Staatsgrenzen als Folge des Zweiten Weltkrieges auf die Lebenswege und Schicksale der Einwohner von vier Städten ausgewirkt?

Ziel

Das Bild der Veränderungen der politischen Landkarte in Ost- und Ostmitteleuropa infolge des Zweiten Weltkrieges (am Beispiel von vier Städten) nachzuzeichnen und zu zeigen, wie sich diese Veränderungen auf Menschen auswirkten.

Aufgaben

  1. Die Lehrkraft zeigt den SuS Bilder, die sich auf vier ausgewählte Städte beziehen. Die SuS führen ein Brainstorming zu den von der Lehrkraft gestellten Fragen im Plenum durch.
  2. Die SuS werden in vier Gruppen eingeteilt. Jede Gruppe analysiert mehrere Quellen zu einer der vier Städten und bereitet eine kurze Präsentation mit den Antworten auf die gestellten Fragen.
  3. Die SuS stellen ihre Ergebnisse im Plenum vor.
  4. Eine Abschlussdiskussion anhand der zu Beginn der Stunde an die Klasse gestellten Fragen findet im Plenum statt.

Methoden

Ziel der Metaplan-Methode ist es, das übliche Brainstorming zu strukturieren, indem die SuS durch Fragen gesteuert werden, die ihnen helfen, um sich neue Erkenntnisse zu erschließen. So wird der Denkprozess in eine Struktur gebracht und die SuS können nachvollziehen, wie sie zu ihren Erkenntnissen gekommen sind. Die Fragen werden dabei möglichst offen formuliert, damit die SuS ihren Gedanken freien Lauf lassen konnten. Die Rolle der Lehrkraft besteht darin, Raum für die SuS zu schaffen, eigene Schlussfolgerungen zu einem Thema zu ziehen. Manchmal ist es während der Aufgabe erforderlich, präzisierende Fragen zu stellen oder Feedback zu geben.
Anmerkung: Diese Methode ist insbesondere in Polen beliebt

Material

Material für die Gruppenarbeit (s. Anlagen), Tafel, Videoprojektor (wünschenswert).

Vorbereitung

Das Wissen zu den themenbezogenen Ereignissen, insbesondere den Deportationen, muss wiederholt bzw. aktualisiert werden. Die Lehrkraft kann die Wiederholungsmethode nach ihrem Ermessen wählen, z. B. als Hausaufgabe oder kurze Leitfragen zu Beginn der Stunde.

Unterrichtsverlauf und Zeitplanung

Phase 1 Phase 2 Phase 3
Einleitung / Brainstorming Gruppenarbeit / Metaplan / Quellenanalyse + Antworten / Präsentationen Diskussion / Auswertung
10-15 Minuten 30 Minuten 20 Minuten 20-25 Minuten

Hinweis: sollte Phase 2 mehr Zeit erfordern, kann Phase 3 gekürzt werden.

Phase 1: Einleitung / Brainstorming

10-15 Minuten

Einleitung

Zu Beginn der Stunde zeigt die Lehrkraft den SuS Fotos mit Ansichten von Gdańsk, Kaliningrad, Lwiw und Brest (am besten mit einem Videoprojektor, eventuell auch ausgedruckt, s. Anhang).

  1. Gdańsk (Polen): Denkmal für den polnischen König Johann III. Sobieski mit der Inschrift „Für König Jan III. Stadt Lwów, 1898“.
  2. Kaliningrad (Russland): Grab von Immanuel Kant und Denkmal für den Dichter Friedrich Schiller.
  3. Brest (Belarus): polnische Aufschriften an einer Hauswand.
  4. Lwiw (Ukraine): Sowjetische Offiziere vor dem Denkmal für Johann III. Sobieski.

Denkmal für Johann III. Sobieski mit der Inschrift „Für König Jan III. Stadt Lwów, 1898“, Gdańsk, Polen. Bild: Ania Skiendziel

Grab von Immanuel Kant, dem deutschen Philosophen und Begründer der deutschen klassischen Philosophie, Kaliningrad, Russland.
Bild: A. Savin. Lizenzfrei: Wikipedia

Denkmal für Friedrich Schiller, den deutschen Dichter, Dramatiker und Philosophen, Kaliningrad, Russland.
Bild: A. Savin. Lizenzfrei: Wikipedia

Polnische Aufschriften an einer Hauswand, Brest, Belarus. Bild: Rafał Turowski

Sowjetische Offiziere posieren vor dem Denkmal für Johann III. Sobieski, Lwiw, Ukraine, 1939. Bild: Fotograf unbekannt. © The Urban Media Archive of The Center for Urban History // Collection of Volodymyr Rumiantsev

Brainstorming

Das Brainstorming wird mit dem Zeigen der Bilder eingeleitet. Die Lehrkraft könnte fol- gende Fragen stellen:

  • Was seht ihr auf den Bildern?
  • Warum wurde ein Denkmal, für das die Einwohner*innen von Lwiw gespendet hatten, in Gdańsk aufgestellt?
  • Wie kamen polnische Aufschriften an die Wand eines Gebäudes in Brest?
  • Warum steht in Kaliningrad ein Denkmal für einen deutschen Dichter?
  • Wie sind diese Phänomenen zu erklären?

Die Lehrkraft teilt den SuS mit, dass man noch viele ähnliche Beispiele bringen könnte, etwa deutsche Aufschriften in Gdańsk (z. B. in Kathedralen) etc.

Die Lehrkraft notiert die Antworten/Ideen der SuS während des Brainstormings an der Tafel, ohne diese zu kommentieren oder zu bewerten.

HINWEIS: Am Ende der Stunde kann die Lehrkraft auf diese Antworten zurückgreifen und die SuS auffordern, diese mit ihren Erkenntnissen aus dem Unterricht zu vergleichen.

Wenn die SuS die Verschiebungen der Staatsgrenzen erwähnen oder sich mit Antworten schwer tun, sollte man zu den Karten übergehen. Karte 1 zeigt die Staatsgrenzen und die Lage der Städte vor dem Zweiten Weltkrieg. Karte 2 zeigt dieselben Städte, aber in den Staatsgrenzen der Nachkriegszeit.

Zusatzaufgabe: Die SuS schauen sich zuerst nur Karte 1 an und versuchen zu bestimmen, zu welchem Land die jeweilige Stadt nach dem Kriegsende gehört, bevor Karte 2 gezeigt wird oder die SuS die Lage der Städte auf (der leeren) Karte 3 eintragen.

Karte 1

Karte 2

Karte 3

Phase 2: Gruppenarbeit / Metaplan / Quellenanalyse

30 Minuten

Gruppenarbeit / Metaplan / Quellenanalyse

Nach dem Brainstorming erklärt die Lehrkraft das Ziel der Hauptaufgabe. In der Stunde werden vier Beispielstädte behandelt: Gdańsk, Kaliningrad, Brest und Lwiw. Diese Städte (wie die SuS bereits beim Brainstorming verstanden haben) gehörten nach dem Krieg zu einem anderen Staat. Lwiw etwa war vor dem Krieg eine polnische Stadt.

Bei der Bearbeitung der Aufgabe müssen die SuS Informationen aus den angebotenen Quellen nutzen, um sich ein Bild darüber machen zu können, wie diese Städte vor und nach dem Krieg ausgesehen haben. Anschließend müssen sie ihre Informationslücken mit zusätzlichen Angaben aus den Quellen, ihren bereits vorhandenen Kenntnissen oder aufgrund von Vermutungen schließen. Ziel ist es, aufzuzeigen, wie und wodurch die Veränderungen stattgefunden haben.

Die Klasse wird in vier Gruppen eingeteilt

Die Lehrkraft erklärt, dass die Klasse heute nach der Metaplan-Methode arbeitet. Jede Gruppe bekommt das Material zu einer der vier Städten, die beim Brainstorming vorgestellt wurden. Die SuS analysieren die Quellen und diskutieren Antworten auf die Fragen. Die Lehrkraft informiert die SuS, dass sie nach der Diskussion der Antworten ihre Arbeitsergebnisse der ganzen Klasse vorstellen müssen und danach Zeit für den Austausch und die Auswertung im Plenum bekommen.

Die Lehrkraft teilt Gruppen ein und verteilt das Material (s. Anlage).

Anlage III
Brześć nad Bugiem → Brest: Material für Gruppe 1

Anlage IV
Danzig → Gdańsk: Material für Gruppe 2

Anlage V
Königsberg → Kaliningrad: Material für Gruppe 3

Anlage VI
Lwów → Lwiw: Material für Gruppe 4

Die Lehrkraft beobachtet die Gruppenarbeit. Sollte eine Gruppe eine Frage haben, kann sie die Lehrkraft um Hilfe bitten. Die SuS dürfen Laptops oder Smartphones für Internetrecherche nutzen. Folgende Fragen stehen zur Diskussion:

  1. Wie war das Leben nach dem Krieg? Beschreibt anhand der Karten und Quellen, wie die Stadtbewohner nach dem Zweiten Weltkrieg lebten und wie die jeweilige Stadt aussah.
  2. Wie war das Leben vor dem Krieg? Analyse: Beschreibt das Leben der Bewohner dieser Stadt vor dem Krieg.
  3. Warum kam es zu diesen Veränderungen? Ermittelt Ursachen und Gründe dafür (z. B. Kampfhandlungen, Aktion Weichsel, Grenzverschiebungen, Vertreibung, Depor tation, Rückführung ins Heimatland, versuchte Flucht vor dem Einmarsch der Roten Armee oder der deutschen Wehrmacht, Umsiedlung in die „frei“ gewordenen Gebiete).

Die Lehrkraft zeichnet die Metaplan-Tabelle an der Tafel, damit die SuS wussten, Antworten auf welche Fragen sie suchen müssen.

Nach dem ersten Teil dieser Phase (Gruppenarbeit nach dem Metaplan aufgrund der Quellenanalyse) wird eine Pause eingelegt. Es kann sich um eine 5-minütige Pause im Unterricht handeln oder, wenn die Stunde zu Ende ist, um die Verlegung des zweiten Teils (Beantwortung der Fragen in Form von Präsentationen) in die nächste Stunde. Die SuS überlegen sich das Gelesene und bereiten eine Präsentation ihrer Schlussfolgerungen für die ganze Klasse vor.

20 Minuten

Antworten / Präsentationen

Die Lehrkraft zeichnet die Metaplan-Tabelle an der Tafel oder zeigt sie mit einem Videoprojektor, um die Antworten der SuS in die entsprechenden Felder eintragen zu können.

Zuerst fordert die Lehrkraft alle vier Gruppen auf, ihre Antworten auf Frage 1 (Wie war das Leben nach dem Krieg?) zu geben. Die Gruppen antworten der Reihe nach. Dann stellt die Lehrkraft Frage 2 (Wie war das Leben vor dem Krieg?) und schließlich Frage 3.

Die Lehrkraft trägt die Antworten in die entsprechenden Felder der Tabelle so ein, dass die ganze Klasse sie sehen kann. Dies ist für die anschließende Diskussion (Phase 3) erforderlich.

Phase 3: Diskussion / Auswertung

20-25 Minuten

Die Lehrkraft leitet die Diskussion mit folgenden Fragen ein:

  • Wie waren die Gefühle der Menschen, deren Geschichten ihr gelesen habt?
  • Wie haben sich die Veränderungen der Staatsgrenzen auf das Leben dieser Menschen ausgewirkt?
  • Kann man sagen, dass die Veränderungen zum Verlust des „wahren Gesichts“ dieser Städte geführt haben? Oder hatten sie auch einen gewissen positiven Einfluss?

Die Lehrkraft trägt die Schlussfolgerungen der SuS in das letzte Tabellenfeld ein.

Am Ende der Stunde kann die Lehrkraft auf die Ergebnisse des Brainstormings zurückgreifen und die SuS auffordern, diese mit den Schlussfolgerungen als Ergebnisse der Auswertung zu vergleichen.

Die Lehrkraft lobt den SuS für die gut gemachte Arbeit!

Anlage I: Bilder für den Einstieg

Anlage II: Karten

Anlage III: Gruppe 1 – Brześć nad Bugiem → Brest

Karte von Polen 1930

Autor*in: XrysD. Creative-Commons-Lizenzen: Wikipedia

Karte der Belarussischen Sozialistischen Sowjetrepublik (BSSR) 1939.

Quelle: Panov, S. V. Istorija Belarusi 1917 g. – načalo XXI v.: učeb. posobie dlja 9-go kl. učreždenij obšč. sred. obrazovanija s rus. jaz. obučenija [Geschichte von Belarus 1917 bis Anfang 21. Jahrhundert, Lehrbuch für 9. Klasse] / S. V. Panov, V. N. Sidorcov, V. M. Fomin: per. na rus. jaz. O. P. Ermakovič, V. M. Ivanova. — Minsk: Izd. centr BGU, 2019. — 180 s.: ill.

Kartenlegende

Staatsgrenzen zum 1. September 1939

Ort der Verabschiedung des Gesetzes „Über die Aufnahme von Westbelarus in die Belarussische Sozialistische Sowjetrepublik“ in der 3. (außerordentlichen) Tagung des Obersten Rats der BSSR (14. November 1939)

Gebiete von Westbelarus und der Westukraine, im September 1939 an die UdSSR angeschlossen

Grenzen der UdSSR zum 14. November 1939

Nach dem Vertrag vom 10. Oktober 1939 zwischen der UdSSR und Litauen an Litauen übergebenes Gebiet

der BSSR zum 14. November 1939

Ort der Erklärung der Resolution „Über den Anschluss von Westbelarus an die BSSR“ durch die Westbelarussische Volksversammlung (30. Oktober 1939)

Litauisches Gebiet Klaipėda (Memelland), am 23. März 1939 vom faschistischen Deutschland besetzt

Erinnerungen

Pjotr K., geb. 1932, Dorf Dubrawa, Kreis Brest, Gebiet Brest

Vor dem Krieg. Wir haben uns mit unseren Nachbarn (den Szczurs) sehr gut verstanden. Wir gingen ihnen oft zur Hand, besuchten sie abends. Auch wenn sie Polen waren. ... Es gab keine Konflikte zwischen uns, wir waren alle durch die Arbeit auf dem Land vereint, es gab keine Zeit zum Streiten. Vielleicht haben sich andere gestritten, um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht mehr.

Nach dem Krieg. Ich habe bereits von meinen Nachbarn aus Dubrawa erzählt, der polnischen Familie Szczur. Sie verließen 1946 das Dorf. Ich weiß nicht genau, aus welchem Grund. Sie gingen nach Polen und Anton Szczur besuchte uns einige Jahre später und erzählte uns, dass sie sich auf den Ländereien in Polen niederließen, wo während des Krieges die Deutschen gelebt hatten. Sie seien glücklich darüber, dass sie sich so gut eingerichtet hätten. Seit Anton dann wegging, habe ich meine ehemaligen Nachbarn nie mehr gesehen. Das war’s.

Quelle: Archiv der Staatlichen Universität Brest (BrGU).

A. Sdanewitsch, geb. 1929, Dorf Arkadija, Kreis Brest, Gebiet Brest

Nicht weit von Arkadija entfernt, wo sich heute das Klostergelände befindet, lag das Anwesen von Pan (poln. für Herr, Großgrundbesitzer) Koniuszewski. Er lebte in Warschau und ließ sein Gut von einem Okonom (poln. für Verwalter) verwalten. Der Pan besaß etwa 30 Hektar Obstgarten, einen großen Kuhstall (mit Raum für 50 bis 70 Tiere), einen Teich, einen kleinen Park; er hatte sein Herrenhaus und Häuser für Angestellte und Tagelöhner da. Als die Sowjets kamen, weilte Pan Koniuszewski gerade auf seinem Gut. Drei oder vier Personen kamen zu ihm, stellten ihn an die Wand und wollten mit ihm abrechnen. Da er aber ein hochherziger Mensch war und keinen Schaden anrichtete, verschonten sie ihn, schossen mal in die Decke und ließen ihn gehen. Der Herr reiste auf einem illegalen Weg nach Polen aus. Sein Anwesen wurde beschlagnahmt und sein Vieh wurde aufgeteilt. Doch 1941 begann der Krieg. Einen Monat oder eineinhalb Monate, nachdem die Deutschen unser Dorf besetzt hatten, kehrte Pan Koniuszewski auf sein Landgut zurück. Er rief die Bauern zusammen, die ihn hatten verhaften wollen, und stellte eine Bedingung: „Ich werde euch nicht bestrafen, lasst es schwer auf eurem Gewissen lasten, aber ihr gebt mir gefälligst die Kühe und alles andere, was ihr beschlagnahmt habt, zurück.“ Ein Teil der beschlagnahmten Güter war bereits vernichtet worden, darunter auch die Milchviehherde, aber 10 bis 15 Kühe bekam er zurück. Er verkaufte sie und ging für immer nach Polen, nach Warschau.

Quelle: Archiv der Staatlichen Universität Brest (BrGU).

Anlage IV: Gruppe 2 - Danzig → Gdańsk

Poland’s population balance (1939-1950). Note: figures are approximations.

Piesowicz, Kazimierz. Demographic effects of World War II. [Demograficzne skutki II wojny swiatowej.] Studia Demograficzne, No. 1/87, 1987. 103-36 pp. Warsaw, Poland.

Beschreibung Total Pol*innen Jud*innen Deutsche Andere (Ukrainer*innen / Belarus*innen)
Einwohnerzahl 1939 35,000,000 24,300,00 3,200,00 800,000 6,700,000
Natürliche Zunahme
1939-45
1,300,000 1,000,000     300,000
Transfer der deutschen Bevölkerung (760,000)     (760,000)  
Todesfälle durch die deutsche Besatzung (5,670,000) (2,770,000) (2,800,000)   (100,000)
Todesfälle durch die sowjetische Besatzung (150,000) (150,000)      
In der UdSSR verbleibende Bevölkerung (7,800,000) (1,000,000) (100,000) 0 (6,700,000)
Auswanderung in den Westen (480,000) (280,000) (200,000)    
Bevölkerungszunahme aus den wiedergewonnenen Gebieten 1,260,000 1,130,000 0 130,000 0
Wiedereinwanderung
1946-50
200,000 200,000 0 0 0
Natürliche Zunahme
1946-50
2,100,000 2,100,000 0 0 0
Einwohnerzahl 1950 25,000,000 24,530,000 100,000 170,000 200,000

Interview mit Sylwia Bykowska (Institut für Geschichte der Polnischen Akademie der Wissenschaften)

Gleich nach dem Krieg wurde Gdańsk zum beliebtesten Anziehungspunkt für polnische Zuwanderer aus allen Orten der wiedergewonnenen Gebiete. Die Namen Gdańsk und Westerplatte schienen nicht fremd. In gewissem Sinne bedeuteten sie „das gelobte Land“. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte wurde die Stadt rein polnisch. Von der ursprünglichen Einwohnerschaft sind nur noch 15 Tausend übrig geblieben. [...]

Wie groß war die Bevölkerung und wie hoch war der Anteil der Polen und anderer ethnischer Gruppen unmittelbar nach Kriegsende?

Natürlich waren diese Zahlen nicht konstant. Es sei daran erinnert, dass das Ende des Krieges die Menschen zur Migration zwangen. Tausende von Menschen gingen in verschiedene Richtungen. Die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung von Gdańsk änderte sich innerhalb kürzester Zeit. Es gab einen massiven Zustrom von Polen und die Deutschen verließen die Stadt, oft gezwungenermaßen. Noch bevor das Staatliche Repatriierungsamt (gemäß dem Potsdamer Abkommen geschaffen) seine Transporte organisierte, fanden 1945 sogenannte Kriegsaussiedlungen statt: Deutsche wurden aus ihren Häusern vertrieben. Allein im Juli 1945 gab es drei solcher Aktionen, in deren Folge etwa 10.000 Menschen Gdańsk verließen. Sie waren Deutsche. Die Gesamtzahl der Deutschen, die bei solchen Aktionen von Juni bis Oktober aus Danzig vertrieben wurden, belief sich auf etwa 60.000. Die Aktionen wurden von der polnischen Armee mit Unterstützung des UB (polnische Geheimpolizei) und der Volksmiliz durchgeführt. Diese Zahl entsprach etwa der Hälfte der deutschen Stadtbevölkerung von Gdańsk an dem Tag, an dem die Stadt Anfang April 1945 von Polen übernommen wurde. Die Truppen umstellten dabei offensichtlich ganze Straßenzüge oder sogar ganze Stadtteile und drängten die Menschen hinaus. Die Räumung erfolgte nach dem Prinzip „Packt eure Sachen, nehmt nur das Handgepäck, der Zug wartet“. Die Deutschen wurden vertrieben, weil immer mehr Polen in die Stadt kamen und es für sie keinen Platz zum Leben gab. Dies war die Entscheidung der neuen lokalen Behörden.

Wer lebte Ende der 40er Jahre in dem kriegsveränderten Gdańsk? Stimmt es, dass die meisten Familien, die nach Gdańsk zogen, Kresowiacy waren, also aus den östlichen Grenzgebieten stammten?

Nicht wirklich ... 1948 stammten 16 % der Stadtbevölkerung aus dem östlichen Grenzgebiet, der Region hinter dem Fluss Bug. Über 60 % waren aus Zentralpolen zugezogen, darunter etwa 14 %, die davor in Warschau und Masowien zu Hause waren. Es sollte betont werden, dass es in den so genannten “wiedergewonnenen Gebieten” keine andere Stadt gab, in die Polen so bereitwillig und in so großer Zahl kamen wie Gdańsk.

Quelle: Gdansk.pl, Wiosna 1945 — rodzi się polski Gdańsk [Herbst 1945: Das polnische Gdańsk wird geboren]. Rozmowa z Sylwią Bykowską z Instytutu Historii PAN, https://bit.ly/32G9F8P, letzter Zugriff: 27.12.2021

Geschichten aus der zerstörten Stadt: Gdańsk 1945 in den Augen von Kindern

Alfons Flisykowski, Leiter der Verteidigung der Polnischen Post in Gdańsk 1939, wurde von den Deutschen ermordet. Seine Tochter, Henryka Flisykowska-Kledzik, war 1945 neun Jahre alt.

“Meine Mutter bekam ein Zimmer in einer Wohnung in [dem Stadtteil] Siedlce zugeteilt, keine eigene Wohnung. Dort lebten zwei deutsche Frauen, von denen eine, die jüngere und schönere ..., einen Freund hatte, der sie regelmäßig besuchte. Er war ein russischer Soldat. So musste sich Mama keine Sorgen machen, dass man noch weitere Mieter als jene Deutschen vorfindet, wenn man von der Arbeit nach Hause kommt“, sagt Flisykowska-Kledzik. [...] Einige Zeit später zogen Menschen aus verschiedenen Teilen Polens, darunter Großpolen, der Kaschubei und Lwów, in das Haus ein, wo die Familie wohnte. „Ich kann mich nicht erinnern, dass es irgendwelche Feindseligkeiten oder Streitigkeiten gab. Wir waren alle in der gleichen Lage, denn wir kamen alle mit einem Koffer oder einer Tasche hierher und wir halfen uns gegenseitig. Eine Frau hat für uns Kleidung genäht, eine andere hat über ihre Bekannten Eier besorgt. Die Atmosphäre war sehr gut“, erinnert sich Flisykowska-Kledzik.

Quelle: Dzieje.pl, Opowieści ze zburzonego miasta, czyli Gdańsk w 1945 r. w oczach dzieci [Geschichten aus der zerstörten Stadt, oder Gdańsk im Jahr 1945 in den Augen der Kinder], https://bit.ly/3qvAYLh, letzter Zugriff: 27.12.2021

Fragment eines handschriftlichen Briefes von Hermann Fischer aus Hörn (Ostpreußen) an seinen Freund, 28. November 1946

“Dann kam der 11. November, ein Sonntag, und damit unsere Ausweisung und Abtransport aus der Heimat. Nachdem die Polen eine Inventaraufnahme gemacht hatten und uns am Sonnabend noch alles Brauchbare an Kleidungsstücken geraubt hatten, gingen wir mit je 20 Pfund Handgepäck zur Sammelstelle, wurden registriert und unter bewaffneter Begleitung nach Sonnenborn gebracht, wo unser polnisches Amt ansässig war. Dort mussten wir zwei Tage bleiben und nach Durchsuchung und nochmaligem Überfall nach Mohrungen zum Bahnhof marschieren. Bei völliger Dunkelheit und zum ‘Tode ermattet’ kamen wir in Mohrungen an. Die Stadt liegt fast vollständig in Asche. Nachdem die Polen von ringsum uns überall anfielen und beraubten, kamen wir zum Transportzüge (ca. 45 Viehwagen für 4500 Personen). In meinem Wagen waren 116 Menschen. Es gab weder eine Möglichkeit zum Stehen noch zum Sitzen. Einer saß auf dem andern. Nachdem die Polen nochmals gründlich geräubert hatten, setzte sich der Zug in Bewegung, um aber nach einiger Zeit wieder stehen zu bleiben, irgendwo auf freier Strecke oder auf dem toten Gleis eines Bahnhofs, bei steten Überfällen elf Tage lang. ...”

Quelle: Josef Henke (1995), ‘Exodus aus Ostpreußen und Schlesien: Vier Erlebnisberichte’, in: Wolfgang Benz (ed.), Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten: Ursache, Ereignisse, Folgen. (Frankfurt/M: Fischer Taschenbuch), S. 123–125.

Erinnerungen von Anna Sobko, die ins Dorf Smołdzino bei Słupsk (Pommern) ausgesiedelt wurde

Auszug aus einem Kapitel der Erinnerungen von Anna Sobko „Der eine aus Russland, der andere aus Preußen und der Teufel hat euch alle hier zusammengebracht!“ aus Piotr Zubowskis Buch „Aktion Weichsel und Ansiedlung in Pommern in den Erinnerungen ehemaliger Bewohner*innen des Dorfes Zahoczewie“.

„Wir sind nach dem Krieg nach Polen gekommen. Der Sejm [das polnische Parlament] konnte keine einheitliche Entscheidung treffen und [schließlich beschlossen sie,] uns hierher, in den Westen, [zu] bringen, weil wir ukrainische Wurzeln hatten, um uns zu vermischen. Die Menschen lebten bereits nach dem russischen System, in einer Kommune [hier: Kollektivwirtschaft]. Wir wurden [19]47 [aus Zahoczewie] deportiert und hierher gebracht.“ (S. 308)

„[Jetzt fühle ich mich wie zu Hause], das ist wirklich wahr. Ich habe bereits [erwachsene] Kinder und Enkelkinder. Ich habe bereits neun Urenkelkinder! Ich habe hier Wurzeln geschlagen. Aber ich weine immer, besonders nachts, wenn ich nicht schlafen kann, wenn ich mich daran erinnere, wie es war. [In den Bieszczady] lebten wir einträchtig und [die Menschen] hatten großen Respekt voreinander. Wir waren alle Einheimische, nicht [aus verschiedenen Orten] zusammengekarrt. Und hier kam Pater Nowak heraus und sagte: „Ja, der eine aus Russland, der andere aus Preußen und der Teufel hat euch alle hier zusammengebracht!“ Und das ist wahr. Jeder hat seine eigenen Bräuche. Irgendwann haben wir uns daran gewöhnt, aber es war sehr schwierig. Und ich lebe hier seit 1947. Ich wünschte, unser Haus wäre dort [in den Bieszczady] ... Ja, und später, in den 1960er Jahren, wurden die ersten orthodoxen Kirchen gebaut, in Słupsk und Bytów.“ (S. 330)

Quelle: Anna Sobko (2017) ‘“Jeden z Rus, drugi z Prus, a wszystkich was diabeł na kupę zwiózł!”: Akcja „Wisła” i osiedlenie na Pomorzu we wspomnieniach dawnej mieszkanki Zahoczewia, opracowanie Piotr Zubowski’ [„Der eine aus Russland, der andere aus Preußen und der Teufel hat euch alle hier zusammengebracht!”: Aktion Weichsel und die Ansiedlung in Pommern in den Erinnerungen einer ehemaligen Bewohnerin von Zahoczewie], Wrocławski Rocznik Historii Mówionej, Rocznik VII, SS. 305–342. Google Books.

Anlage V: Gruppe 3 - Königsberg → Kaliningrad

Ankunft der Umsiedler*innen in Kaliningrad, 1947

Bild: Fotograf unbekannt. Lizenzfrei:
Staatsarchiv des Kaliningrader Gebiets

Erster Transport mit einer Umsiedlergruppe aus dem Gebiet Moskau nach Kaliningrad, September 1946

Bild: Georgi Selma. Lizenzfrei: Zeitschrift Ogonjok.

Alte Stadtmitte von Königsberg nach zwei britischen Luftangriffen im August 1944

Bild: Fritz Krauskopf. Lizenzfrei: Wikipedia.

Erinnerungen sowjetischer Umsiedler*innen nach Kaliningrad

Anatoli Pljuschkow, geboren 1922, im Kaliningrader Gebiet seit 1947

Wir Parteifunktionäre aus Leningrad reisten alle mit demselben Zug. Die meisten der in die Region entsandten Parteimitarbeiter*innen waren ledig, so auch ich. [...] Die Stimmung war fröhlich. Ich habe zwei Sätze von meinen Mitreisenden behalten, die unsere Denkweise am deutlichsten veranschaulichen. Eine junge Frau, an deren Namen ich mich nicht erinnere und die ebenfalls im Auftrag der Partei nach Kaliningrad geschickt wurde, sagte: „Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir in der Zeit zurückreisen.“ In der Tat fühlten sich die meisten von uns, die den Krieg durchgemacht haben, als Träger der fortschrittlichen sowjetischen Kultur und Lebensweise. Europa schien uns eine rückständige und feindliche Domäne des Kapitalismus zu sein. Die Aussicht, die sowjetische Kultur nach Ostpreußen zu bringen, war sehr attraktiv. Gleichzeitig wussten wir fast nichts über unseren zukünftigen Einsatzort. Ein junger Offizier, der mit uns reiste, bemerkte: „Der russische Soldat, als er nach Europa gekommen ist, hat nicht eingesehen, dass er nicht zu Hause ist.“ Wir betrachteten das neu erworbene Land Kaliningrad nicht als etwas Fremdes, sondern als ein Gebiet, das erschlossen werden musste. Wir waren voller Optimismus und keine Aufgabe schien unlösbar.

Walentina Korabelnikowa, geboren 1935, im Kaliningrader Gebiet seit 1946

An die Reise selbst erinnere ich mich nur sehr vage, es ist nicht viel passiert, aber ich erinnere mich an den Vorfall am Bahnhof. Feierlich konnte man den Empfang nicht nennen: man ließ mich auf unserem einzigen Koffer sitzend warten (damals hatten alle nur einen oder zwei Koffer dabei, meistens das Nötigste) und ein Mann kam auf mich zu: „Mädchen, du sitzt auf meinem Koffer. Steh auf, ich hole ihn“, ich stand auf, er nahm den Koffer und ging. Auf diese Weise wurde die ganze Familie ihres gesamten Besitzes beraubt. ... Ich sah Deutsche, lebende Deutsche... Sehen Sie, es war Krieg, man sagte uns, die Deutschen seien sehr schlecht, sie seien gar ‚Unmenschen‘. [...] Es war ein Schock: sie entpuppten sich als normale Menschen, genau wie wir.

Elbrus Beljajew, geboren 1926, im Kaliningrader Gebiet seit 1947

Als ich hierher kam, sah ich einen Botanikprofessor von der Universität Königsberg, der durch den Botanischen Garten lief, sich die Tränen abwischte und sich verabschiedete. Er sagte: „Ich habe diesem Garten mein ganzes Leben gewidmet. Es ist einer der besten Gärten der Welt.“ Das war es wirklich. Der Garten war sehr gut gepflegt, schön. Es gab einzigartige Bäume aus der ganzen Welt. Die Unsrigen wussten diesen Schatz nicht zu schätzen. [...] Der Garten blieb herrenlos — und auch ohne richtige Pflege. Schließlich führte es dazu, dass alle Kultur- und Naturschätze nach und nach zerstört wurden.

Quelle: Meduza, „Zašla nemeckaja sem’ja, prosili chleba“: 70 let nazad Kenigsberg stal Kaliningradom: vospominanija pereselencev [„Eine deutsche Familie kam herein, sie baten um Brot“. Vor 70 Jahren ist Königsberg zu Kaliningrad geworden: Erinnerungen der Umsiedler], https://bit.ly/3EA2FYq, letzter Zugriff: 27.12.2021

Auszug aus dem Geheimerlass des Innenministers der UdSSR

„1. Der Leiter der UMWD [Verwaltung des Ministeriums für Innere Angelegenheiten] im Kaliningrader Gebiet, Genosse Generalmajor Demin, hat 1947 30 000 Deutsche, davon 10 000 im Oktober und 20 000 im November 1947, aus dem Kaliningrader Gebiet in die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands umzusiedeln.

Umzusiedeln sind vor allem Deutsche, die in der Stadt Baltijsk und im Küstengebiet der Ostsee wohnhaft sind, sowie arbeitsunfähige deutsche Familie, die keine gesellschaftlich-nützliche Arbeit leisten, deutsche Kinder, die sich in Waisenhäusern befinden, und ältere Deutsche, die in Invalidenhäusern gepflegt werden, aus anderen Kreisen des Gebiets.

Die umzusiedelnden Deutschen dürfen persönlichen Besitz bis zu 300 Kilogramm pro Familie mitnehmen, mit Ausnahme von Gegenständen und Wertsachen, deren Ausfuhr nach den Zollregeln verboten ist.“

Sergei Kruglow, 14. Oktober 1947.”

Quelle: Kostjašov Ju. V. Vostočnaja Prussija glazami sovetskich pereselencev: pervye gody Kaliningradskoj oblasti v vospominanijach i dokumentach [Ostpreußen in den Augen der sowjetischen Umsiedler: Die ersten Jahre des Kaliningrader Gebiets in Erinnerungen und Dokumenten]. — SPb.: Izd-vo Belveder, 2002. — 272 s.: ill.

Änderungen von Straßennamen in Kaliningrad (Auszug)

Quelle: Klgd.ru, Toponimija Kaliningrada [Toponymik von Kaliningrad], https://bit.ly/3HiCIyf, letzter Zugriff: 27.12.2021

Deutsche Übersetzung

Deutscher Straßenname Straßenname nach dem Befehl des Besonderen Militärbezirks Späterer Straßenname Straßenname im Jahr 1998
Am Fließ, Waldburgstraße Wetschnaja / Ewige Str. Kursantskaja / Offiziersschülerstr. Rokossowskogo / Rokossowski-Str.
Tragheimer Pulverstraße Porochowaja / Pulverstr. Porochowaja / Pulverstr. Professora Sewastjanowa / Professor-Sewastjanow-Str.
Tragheimer Kirchenstraße Monetnaja / Münzstr. Monetnaja / Münzstr. Podpolkownika Iwannikowa / Oberstleutnant-Iwannikow-Str.
Mitteltragheim Minomjotnaja / Granatwerferstr. Proletarskaja / Proletarierstr. Proletarskaja / Proletarierstr.
Steindamm Kamennaja / Steinstr. Schitomirskaja / Schitomir-Str. Schitomirskaja und Teil des Leninski Prospekt / Schitomir-Str. und Teil der Lenin-Allee
Hoffmannstraße 1905-go goda / Jahr 1905-Str. Winnizkaja / Winniza-Str. Krasnooktjabrskaja / Roter-Oktober-Str.
Selkestraße Selskaja / Dorfstr. Maly pereulok / Kleine Gasse Maly pereulok / Kleine Gasse
Gebauhrstraße Lessopilnaja / Sägewerkstr. Lessopilnaja / Sägewerkstr. Lessopilnaja / Sägewerkstr.
Drummstraße Klintschtaja / Keilstr. Bolnitschnaja / Krankenhausstr. Proletarskaja / Proletarierstr.
Alter Graben Starokanawnaja / AlterGraben-Str. Starokanawnaja / AlterGraben-Str. Generala Butkowa / General-Butkow-Str.
Neue Reiferbahn Kanatnaja / Seilstr. Kanatnaja / Seilstr. Neben der Mariupolskaja / Neben der Mariupol-Str.
Oberrollberg Werchnij Wal / Oberer Wall Werchnij Wal / Oberer Wall Kopernika / Kopernik-Str.
Monkengasse Mukomolnaja / Mehlfabrikstr. Potschtowy pereulok / Postgasse Neben der Kopernika / Kopernik-Str.
Kaplanstraße 8-go Marta / 8.-März-Str. Bolschoi pereulok / Große Gasse Kopernika / Kopernik-Str.
Scheffnerstraße Utschjonych / Wissenschaftlerstr. Gontscharnaja / Töpferstr. Neben dem Generala Karbyschewa Nabereschnaja / Neben dem General-Karbyschew-Ufer
Neuroßgärter Schulstraße Sibirskaja / Sibirienstr. Sibirskaja / Sibirienstr. Sibirskaja / Sibirienstr.
Neurosgerter Schulstraße Utschenitscheskaja / Schülerstr. Sagorskaja / Hinterbergstr. Sagorskaja / Hinterbergstr.

Anlage VI: Gruppe 4 - Lwów → Lwiw

Aus dem Tagebuch der Bewohnerin von Lwiw Alma Heczko, 18. Mai 1945

„Wir werden morgen abreisen. Dies ist unser letzter Abend in Lwiw. Ich schreibe im Esszimmer, auf der Kommode. Ein Gewitter zieht auf, der Donner ist schon von weitem zu hören. Für unseren letzten Spaziergang sind wir zum Hohen Schloss gegangen. Es ist grün und wunderschön und auf den Kastanienbäumen stehen „Kerzen“. Im Mai ist es schön dort. Ich liebe diese Ecke so sehr. Ich bin fast jeden Tag hierhergekommen. Und heute ist es das letzte Mal, dass ich mir das Hohe Schloss anschaue. Ich werde nie wieder hierher zurückkommen können.

Es regnet und ist windig hinter dem Fenster. Ich kann Blitze sehen. Alle schlafen und ich schreibe alles bis auf Kleinigkeiten auf. Ich habe hier 24 Jahre lang gelebt. Ich wurde in dem Zimmer geboren, in dem meine Tochter jetzt schläft. Und jetzt muss ich von hier weg. Wir werden aus unserer Heimat vertrieben.“

Quelle: Zentrum für Stadtgeschichte, Lwiw, The Lost Home: Post-War Forced Relocations, https://bit.ly/3mvYA1p, letzter Zugriff: 27.12.2021

Muttersprache der Einwohner*innen von Lwiw

Quelle: Lozins’kij R. M. Jetničnyj sklad naselennja L’viva (u konteksti suspil’noho rozvytku Halyčyny) [Ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung von Lwiw (im Kontext der allgemeinen Entwicklung von Galizien)] / Roman Lozins’kij. – L’viv 2005. – 358 s.

Sprache 1931 1959 1970 1979 1989 2001
Ukrainisch 11,3% ~55,5% 65,2% 71,3% 77,2% 88,8%
Russisch 0,1% ~38,5% 31,1% 25,7% 19,9% 9,7%
Jiddisch 24,1% ~1,2% 0,7% 0,3% 0,2% 0,01%
Polnisch 63,5% ~2,8% 1,4% 0,9% 0,6% 0,4%
Andere 1,0% ~2,0% 3,7% 3,0% 2,9% 1,1%

Bevölkerung von Lwiw in den Jahren 1900 bis 1989

Quelle: Bodnar, H. Nacionalni vidnosyny u L’vivi u 1950–1970-ch rokach očima mihrantiv z sil [Nationale Beziehungen in Lwiw in den 1950-70er-Jahren in den Augen der Migranten vom Land]. – L’viv 2010. – 314 s.

Nationalität 1900 1931 1940 1941 1942 1943 1944 1951 1959 1970 1989
Ukrainer 19,9% 15,9% 22,0% 22,0% 26,1% 29,9% 26,4% 42,8% 60,2% 68,2% 79,1%
Russen - 0,2% 1,6% - - - 5,5% 30,8% 27,1% 22,3% 16,1%
Juden 26,5% 31,9% 32,8% 25,4% 15,6% - 1,1% 7,0% 6,3% 4,4% 1,6%
Polen 49,4% 50,4% 43,4% 50,3% 54,0% 62,9% 66,7% 16,3% 3,9% 2,5% 1,2%

Interview mit V. H., dessen Familie 1945 nach Lwiw umzog

“Mein Vater beendete den Krieg an der Ersten Ukrainischen Front. Seine Einheit zog durch Belarus und Polen. Es wurde gemunkelt, dass es in Lwiw viele freie Wohnungen gab. [...] Sie kehrten bei Bekannten ein und dann sah mein Vater eine Anzeige mit der Aufschrift „Brennholz zu verkaufen“, an einem Straßenpfosten dort, in [dem Stadtteil] Rohatka. Das war ein Signal, es bedeutete, dass nicht Brennholz verkauft wurde, sondern eine Wohnung [...]

Der Pole war einer von denen, die 1945 es nicht geschafft hatten, wegzugehen. Die Familie wollte nun aus ihrer Wohnung ausziehen und ausreisen, also war er froh, wenigstens etwas Geld dafür zu bekommen. Es gab ein gutes Bett mit einem Drahtrost in der Wohnung ... Und einen Herd, der grün und leicht war. Also blieben wir dort.“

Quelle: Zentrum für Stadtgeschichte, Lwiw, New Lviv Residents and Their City, https://bit.ly/312BVSJ, last visited 27.12.21

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