Gedenkstätten in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft am Beispiel des Museums Berlin-Karlshorst

Christoph Meißner Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf, Germany

15+ Jahre

90 Minuten

1601 Wörter

Zusammenfassung: Diese Lernaktivität soll sich an einem Gedenkstättenbesuch orientieren. Die Schüler*innen lernen, wie sie einen kritischen Blick auf Darstellungen in einem Museum entwickeln können. Sie werden auch darüber nachdenken, welche Inhalte wert sind, ausgestellt zu werden, welche Inhalte es wert sind, dass man sich an sie erinnert und weshalb.

Schlüsselfrage: Was kann uns das Museum Berlin-Karlshorst über die Darstellung von Geschichte in der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft vermitteln?

Kompetenzerwerb

Die Schüler*innen werden:
  • Ihre analytische und kritische Denkfähigkeit schulen.
  • sich in die Lage anderer Personen hineinversetzen, um die historische Vergangenheit und die verschiedenen Arten, wie sie in der Gegenwart betrachtet wird, zu verstehen.
  • Ereignisse in der Vergangenheit und der Gegenwart nutzen, um sich eine Meinung über die Zukunft zu bilden.

Pädagogische Empfehlungen

Das Museum Berlin-Karlshorst ist ein sehr komplexer Ort, an dem es viel zu entdecken gibt. Das Museum hat bisher drei Dauerausstellungen beherbergt und wurde seit seiner Gründung im Jahr 1967 mehrfach umgestaltet. 

Um diese Lernaktivität durchführen zu können, sollten die Schüler*innen ein Mindestmaß an Wissen über die Erinnerungskultur rund um den Zweiten Weltkrieg in Ost- und Westeuropa haben. Sie sollten beispielsweise bereits gelernt haben, dass der Zeitraum vom deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 bis zur Unterzeichnung der Kapitulation der Wehrmacht am 8./9. Mai 1945 in den postsowjetischen Staaten als Großer Vaterländischer Krieg und nicht als Zweiter Weltkrieg bezeichnet wird. Es wäre auch wünschenswert im Voraus zu klären, weswegen es unterschiedliche Daten für die Kapitulation gibt (8. und 9. Mai 1945), d.h. warum in verschiedenen Ländern ein anderes Datum verwendet wird. Es wäre denkbar, dies und andere Vorbereitungen als anbahnende Hausaufgabe im Vorfeld des Besuchs zu geben; alternativ könnte eine maximal 20-minütige Unterrichtseinheit zur Vorbereitung der Exkursion durchgeführt werden. Ohne diese Vorkenntnisse sollte die Lernaktivität nicht durchgeführt werden, da dies den Entdeckergeist und das Verständnis der Schüler*innen für die Aktivität schmälern würde. 

Aktivitäten

Als Hausaufgabe und zur Vorbereitung der Lernaktivität erhalten die Schüler*innen einen Handzettel, der kurz die Geschichte des Museums Berlin-Karlshorst aufzeigt. Zwei Zitate über das Museum aus verschiedenen Zeiten sind dort aufgeführt (s. Anhang I). Sie sollen den Handzettel aktiv lesen, indem sie wichtige Aspekte und Schlüsselbegriffe im Text markieren und ihnen unbekannte Begriffe recherchieren oder eigene Notizen anfertigen sowie sich mit der Geschichte des Museums vertraut machen.

Phase 1: Evaluierung der Hausaufgaben. 10 Minuten
In einer kurzen Diskussion besprechen die Schüler*innen die Ergebnisse ihrer Hausaufgaben mit dem Guide. Sie erfahren, inwiefern ihre Schlussfolgerungen von dem Guide geteilt werden und stellen anschließend fest, dass es verschiedene Interpretationsweisen bezüglich der Geschichte des Museums gibt und über das, was im Laufe der Zeit ausgestellt wurde. Im zweiten Teil der Hausaufgabe wird es um die Selbstdarstellung des Museums in den verschiedenen Perioden des Bestehens gehen.

Phase 2: Interpretation der Fotos. 5 Minuten  
In 4er-Gruppen erhalten die Schüler*innen eines von drei historischen Bildern des Museums aus der sowjetischen Ausstellung von 1967 (s. Anhang II). Jede Gruppe erhält ein anderes Bild. Bei mehr als 3 Gruppen erhalten einige das gleiche Bild. Die Hausaufgabe, die die Schüler*innen in das Museum mitbringen sollten, kann ihnen helfen, den Kontext zu verstehen. Sie haben Zeit sich die Bilder anzuschauen und können bei Unklarheiten den Guide fragen, wie die Bilder zu interpretieren sind.

Phase 3: Erkundung des Museums.
30 Minuten
In denselben 4er-Gruppen gehen die Schüler*innen in das Museum und suchen die Räume, die sie auf den Fotos gesehen haben. Anschließend sollen sie dokumentieren (mit dem Mobiltelefon fotografieren), wie diese Räume heute genutzt werden und welche Bedeutung sie für das Gesamtkonzept der aktuellen Ausstellung haben. Gleichzeitig sollten sie darüber nachdenken, was die ursprünglichen Absichten der Museumsmacher*innen waren und warum diese Objekte im Museum zu sehen sind. In der nächsten Phase müssen sie ihren Mitschüler*innen einen kurzen Vortrag über das, was ihnen aufgefallen ist, halten.

Phase 4: Präsentation und Diskussion. 20 Minuten
Noch im Museum, in einem separaten Unterrichtsraum (ein Raum, über den die meisten Museen verfügen, um pädagogische Aktivitäten mit Gruppen durchzuführen), präsentieren die Schüler*innen die historischen und aktuellen Bilder in einer Gegenüberstellung vor der Klasse und diskutieren mit ihren Mitschüler*innen über die Frage der Nutzung der Vergangenheit in der Gegenwart: Wofür könnte die Vergangenheit in der Gegenwart genutzt werden, und wie könnte sie genutzt werden?

Phase 5: Abschließende Diskussion. 25 Minuten
Im selben Unterrichtsraum diskutieren die Schüler*innen unter Anleitung der Lehrkraft, wie eine zukünftige Ausstellung im Museum zum Thema Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion aussehen könnte. Welche Medien können eingesetzt werden und welche historischen Komponenten des Museums müssen integriert werden? Sie werden auch über den Wert von Gedenkstätten und Museen in verschiedenen Zeiten diskutieren: Was ist ausstellungswürdig, was ist erinnerungswürdig und weshalb?
 

Bewertung

Die Bewertung wird von der Lehrkraft während des Museumsbesuchs kontinuierlich vorgenommen.

Stufe 1: Durch Zuhören bei der Evaluierung der Hausaufgaben in den Gruppen: Wie nützlich sind die Aufzeichnungen der Hausaufgaben der einzelnen Schüler*innen?
Stufe 2: Auf welchem Niveau nutzen Schüler*innen Beobachtungs- und Analysefähigkeiten? Wie gut können Schüler*innen zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen unterscheiden? Wie viel tragen einzelne Schüler*innen bei? Wie gut sind die einzelnen Schüler*innen in der Lage zu kooperieren und in einer Gruppe zusammenzuarbeiten?
Stufe 3: Wie gut sind die einzelnen Schüler*innen in der Lage, Gruppenergebnisse zu präsentieren und sie vor der Klasse zu diskutieren? Waren die einzelnen Schüler*innen bereit, sich an der Diskussion zu beteiligen?
Stufe 4: Waren die einzelnen Schüler*innen bereit, sich an der Diskussion zu beteiligen und in der Lage, das erworbene Wissen für eine imaginäre Zukunft zu nutzen?

Glossar

Hier finden Sie Definitionen für die unten fett gedruckten Wörter.
  • Aufrüstung - der Prozess der Ausrüstung von Streitkräften mit neuen Waffen; in diesem Zusammenhang rüstete Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg auf, was einen direkten Verstoß gegen den Versailler Vertrag darstellte.
  • Wehrmacht - die Streitkräfte des nationalsozialistischen Deutschlands zwischen 1935 und 1945.

Anhang I - Hausaufgabe

Lies den folgenden Text und die zwei darunter stehenden Zitate, um mehr über die Geschichte des Museums Berlin-Karlshorst zu erfahren. Überlege, in welchen historischen Epochen das Museum existiert hat, welche Intention und welches Selbstverständnis das Museum in diesen Zeiten hatte und welche Sicht auf die Vergangenheit es zu vermitteln versuchte.

Das Gebäude, das heute das Museum Berlin-Karlshorst beherbergt, wurde in den späten 1930er Jahren erbaut und diente während der deutschen Wiederaufrüstung zunächst als Wehrmachtsschule. Es wurde während des Krieges kaum zerstört und war daher ein geeigneter Ort für die Unterzeichnung der Kapitulation durch die vier Siegermächte. Ab Mai 1945 residierte der Leiter der sowjetischen Besatzungsverwaltung in Deutschland in dem Gebäude. Die Sowjetunion nutzte das Gebäude bis 1962 für verschiedene Zwecke. Im Zuge der umfangreichen Feierlichkeiten in der Sowjetunion anlässlich des 20. Jahrestages des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg beschloss die sowjetische Armee, das Gebäude zu einem Museum auszubauen. Im Jahr 1967 wurde schließlich das „Museum der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschlands im Großen Vaterländischen Krieg” eröffnet. Es sollte vor allem den sowjetischen Soldaten in Deutschland dienen und war ein Ort, an dem die „Heldentaten” der Roten Armee auf ihrem Weg zur Befreiung Deutschlands ausgestellt wurden. Bis 1990 befand sich das Museum in sowjetischer Hand und wurde erst in den 1970er Jahren für deutsche Besucher*innen geöffnet. Auch die Sprache der Ausstellung blieb lange Zeit ausschließlich russisch. Mit der deutschen Wiedervereinigung und dem Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland stellte sich die Frage nach der Zukunft des Museums. Sowohl Deutschland als auch die Russische Föderation wollten das Projekt gemeinsam weiterführen. In den Jahren 1997 und 1998 schlossen sich die beiden großen Weltkriegsmuseen aus Belarus und der Ukraine dem Verein an. Aufgabe des Museums war es, die Besucher*innen über den deutschen Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion zwischen 1941 und 1945 zu informieren und in einer gemeinsam entwickelten Ausstellung die Geschichte der Deutsch-Sowjetischen Beziehungen im 20. Jahrhundert zu vermitteln. Nach einer letzten Überarbeitung der Dauerausstellung im Jahr 2013, zeigt das Museum nun unterschiedliche Perspektiven auf, die die deutsch-sowjetische Geschichte des 20. Jahrhunderts betreffen. Mit seinem multinationalen Kuratorium aus Deutschland, Belarus, der Russischen Föderation und der Ukraine ist das Museum einzigartig in Deutschland und ermöglicht Begegnungen und den Austausch über Geschichte und Erinnerung in der Vergangenheit und Gegenwart.
„Das Museum hat 14 Ausstellungsräume. Zahlreiche Exponate zeugen vom heldenhaften Kampf der Roten Armee gegen die Besatzer [Nazideutschland], von ihrer Rolle bei der Befreiung Europas von Hitlers Faschismus [...]. Die Ausstellung zeigt, dass die Soldaten der Roten Armee als Standesbrüder gekommen sind, um das deutsche Volk vom Faschismus zu befreien. Heute ist die deutsch-sowjetische Freundschaft eine Herzensangelegenheit für die Bürger der Deutschen Demokratischen Republik.” - Broschüre Gedenkstätte Berlin-Karlshorst, 1984
„Das Museum Berlin-Karlshorst befindet sich an einem historischen Ort. Es steht für das Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1945 und die Nachkriegszeit in Europa. Heute präsentiert das Museum verschiedene Blickwinkel auf die deutsch-sowjetische Geschichte im 20. Jahrhundert. Einzigartig in Deutschland ist das multinational zusammengesetzte Kuratorium. Das Museum ermöglicht Begegnungen und einen Gedankenaustausch über die Geschichte und deren Erinnerung in der Vergangenheit und Gegenwart.” - Slogan des Museums Berlin-Karlshorst, 2021
 

Anhang II - Bilder von der Ausstellung aus dem Jahr 1967

Das 'Lenin-Zimmer'. Broschüre Berlin-Information (Hrsg.) (1984). Gedenkstätte Berlin-Karlshorst, Berlin: Berlin-Information.
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Teil der Dauerausstellung. Broschüre Berlin-Information (Hrsg.) (1990). Музей истории безоговорочной капитуляции фашистской Германии в войне 1941-1945 [Museum der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschlands im Großen Vaterländischen Krieg 1941-1945], Berlin: Berlin-Information, S. 22.
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Museumseingang. Broschüre Berlin-Information (Hrsg.) (1984). Gedenkstätte Berlin-Karlshorst, Berlin: Berlin-Information.
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