Pädagogische Empfehlungen

Benny Christensen , Copenhagen, Denmark / Olivia Durand , Oxford, UK

3255 Wörter

Einführung

Gedenkstätten und Denkmäler des Zweiten Weltkriegs können auch in Programmen zur umfassenden historischen Bildung als Lehrmittel genutzt werden. Pädagogische Ansätze zum Lernen an Gedenkstätten hängen jedoch sehr stark davon ab, welches Herangehen an den schulischen Geschichtsunterricht im jeweiligen Land üblich ist. Eine „gedenkstättenzentrierte“ Didaktik bietet Vermittlungsmöglichkeiten, die von der visuellen Auseinandersetzung mit Denkmälern in Schulbüchern bis hin zur Einbeziehung der Gedenkorte in den Unterricht durch Besuche reichen, die der Entwicklung der staatsbürgerlichen Kompetenzen dienen. In diesem Kapitel werden Vermittlungsmethoden vorgestellt, die Analysefertigkeiten und Sozialkompetenzen der Schüler*innen fördern, und zwar stets mit dem Ziel, ihr Verständnis und ihren Respekt für unterschiedliche Sichtweisen und Meinungen zum Zweiten Weltkrieg zu erhöhen sowie ihre Fähigkeit zur interkulturellen Verständigung insgesamt zu erweitern.
In den folgenden Abschnitten werden methodische Empfehlungen gegeben, die Pädagog*innen anwenden und an ihren eigenen spezifischen Vermittlungskontext anpassen können. Diese Empfehlungen sind als allgemeines Modell für die Vermittlung der Geschichte des Zweiten Weltkriegs durch Gedenkstätten und Denkmäler zu verstehen. Sie erheben nicht den Anspruch, alle Nuancen der europäischen (geschweige denn außereuropäischen) Gedenkstättenlandschaft zu berücksichtigen.
 

Einleitende Diskussionen

  • Einleitende Diskussion 1: Diskutiert, warum und für wen Gedenkstätten errichtet werden müssen.
Diese einleitende Diskussion wirft die Frage nach dem Zweck von Gedenkstätten und der Identität der Personen oder Ereignisse auf, an die sie erinnern. Bei der Diskussion sollte man sich nicht auf eine bestimmte Gedenkstätte konzentrieren, sondern vielmehr versuchen, das vorhandene Wissen der Schüler*innen über lokale, nationale oder internationale Denkmäler zu aktivieren. Dadurch wird der Einstieg in ein umfassendes Gespräch über die Entstehung und Gestaltung von Gedenkstätten ermöglicht.

Die Lehrkraft kann die Diskussion mit einer kurzen Liste von Denkmälern unterstützen, die die Vielfalt der Narrative veranschaulicht, an die Denkmäler erinnern sollen. Dabei kann es sich beispielsweise um die Erinnerung an den Faschismus, den Kommunismus, den Kolonialismus, ethnische Spannungen, rassistisch oder geschlechtsspezifisch motivierte Gewalt, militärische Konflikte, Menschenrechtsverletzungen oder andere relevante Themen handeln. Unter den Lernaktivitäten ist die Einheit über die Stolpersteine (und Letzte Adresse, ihr Pendant in den postsowjetischen Ländern, siehe Anhang II) ein gutes Beispiel für eine Gedenkinitiative, die versucht, der Opfervielfalt gerecht zu werden. In ähnlicher Weise könnte das französische Mémorial de la France Combattante als Ausgangspunkt für ein Gespräch über die Zusammenhänge zwischen dem Erbe der europäischen Kolonialreiche und dem im Zweiten Weltkrieg bekämpften Autoritarismus dienen.
 
  • Einleitende Diskussion 2: Diskutiert, wie Politiker in der Vergangenheit Gedenkstätten gebraucht oder missbraucht haben und inwiefern wir dies auch in der Gegenwart beobachten können. 
Diese einleitende Diskussion wirft die Frage nach der Nutzung und Ausbeutung von Gedenkstätten, insbesondere durch politische Regime, auf. Sie soll das Bewusstsein dafür schärfen, dass Konflikte um Gedenkstätten ebenso in aktuellen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten und Spannungen wurzeln wie in divergierenden Geschichtsbildern.

Die Lehrkraft kann die Schüler*innen fragen, warum die ausgewählte Gedenkstätte in der Vergangenheit errichtet wurde und welches Bedürfnis sie damals befriedigen sollte, und dann mit der Frage fortfahren, welches Bedürfnis die Gedenkstätte denn in der Gegenwart erfüllen würde (und ob sich ihr Zweck geändert hat). Man kann die Schüler*innen auch darüber diskutieren lassen, welchem politischen Ziel der Bau/die Entfernung bzw. der Abriss einer Gedenkstätte in der Vergangenheit diente und ob dieser Prozess des Gedenkens durch Denkmäler heute immer noch demselben Zweck dient. Die Lehrkraft kann z.B. auf die Kontroverse um die beiden Gedenkstätten für das Massaker von Katyń in Polen und Russland als Beispiel für diese Gegenüberstellung verweisen und so die Auseinandersetzung mit der damaligen und heutigen Nutzung dieser Gedenkstätten für politische Zwecke anregen. Die Lernaktivität regt damit zur Reflexion über den Begriff der Wahrheit in der Geschichte an und darüber, dass die Errichtung von Gedenkstätten immer politisch motiviert ist, auch wenn die Beweggründe variieren.
 

Eigenständige Recherche

  • Eigenständige Recherche 1: Die Schüler*innen bekommen vor dem Besuch im Rahmen des Unterrichts einen Plan für die Recherche mit IT-Einrichtungen. 
Die Lehrkraft schlägt den Schüler*innen im Unterricht einen Rechercheplan vor, der eine Liste vertrauenswürdiger IT-Ressourcen (das Projekt Gutenberg bietet kostenlose E-Books an; je nach Land stellen die Nationalarchive häufig digitale Verzeichnisse vertrauenswürdiger Websites und pädagogischer Blogbeiträge über ihre Sammlungen zusammen) und geprüfter Texte über die Geschichte für die breite Öffentlichkeit (z.B. veröffentlicht The Conversation kurze journalistische Artikel, die von Wissenschaftler*innen geschrieben wurden) enthält. Ziel der Recherche ist es, die ausgewählte Gedenkstätte vor dem Besuch vor Ort in ihren eigenen historischen Kontext einzuordnen sowie Gründe und Folgen ihrer Errichtung vertieft zu untersuchen. Die Schüler*innen können beispielsweise die Aufgabe bekommen, sich über bestimmte umstrittene Denkmäler auf der Website Contested Histories zu informieren, auf der über 400 Gedenkorte weltweit beschrieben sind, oder einen einfachen Faktencheck anhand von Online-Enzyklopädien (z.B. Encyclopaedia Britannica oder andere länderspezifische Lexika) durchzuführen.

Je nach Alter/Wissensstand der Schüler*innen kann die Lehrkraft weitergehende Fragen nach konkreten Informationen stellen, nach denen sie suchen sollten, wie Daten, Orte, Statistiken usw.
 
  • Eigenständige Recherche 2: Die Schüler*innen bekommen vor dem Besuch eine Quellenauswahl mit Bezug zur Gedenkstätte.
Zusätzlich zu bzw. anstelle der IT-gestützten Recherche kann die Lehrkraft eine Auswahl an Quellenmaterial zusammenstellen (Zeitungstexte, Interviews, Auszüge aus historischen Fachbüchern, Karikaturen, Fotos, Radio- oder Videosequenzen usw.), die die Grundlage für eine intertextuelle Analyse des Ereignisses, der Person oder der Gruppe bildet, an das bzw. die die Gedenkstätte erinnert.

Diese Aktivität fördert kritische Analysefähigkeiten, die für die Auseinandersetzung mit Gedenkorten unerlässlich sind, und bietet gleichzeitig eine Gelegenheit zum autonomen Lernen. Ein Beispiel hierfür könnten die deutschen Trümmerfrauen sein. Die Lehrkraft kann die Schüler*innen auffordern, unterschiedliche Quellen zusammenzutragen, die eine Präsentation und einen Vergleich von Trümmerfrauen-Standbildern ermöglichen, um deren Einsatz für politische Zwecke über die Jahre hinweg hervorzuheben.
 

Analysefähigkeiten

  • Visuelle Analyse
Sowohl beim Besuch vor Ort als auch im Klassenzimmer sollten die Schüler*innen dazu ermutigt werden, Gedenkstätten in ihrer optischen Materialität zu analysieren. Die Lehrkraft kann sie beispielsweise auffordern, über die dominierenden Formen einer bestimmten Gedenkstätte, die gewählten Materialien und Farbgebung, die Emotionen, die ihre physischen Eigenschaften hervorrufen, die Lage der Gedenkstätte in der Stadt bzw. auf dem Lande sowie über ihren konkreten Standort in der Straße bzw. auf dem Platz nachzudenken oder auch in Betracht zu ziehen, welchen Einfluss der Stil auf die vermittelten Ideen nehmen kann.

Statuen (z. B. das Nationale Denkmal für den Winterkrieg in Helsinki, Finnland, das Denkmal für die Frauen des Zweiten Weltkriegs in London, Großbritannien, und die Gedenkstätte Brester Festung in Brest, Belarus — alle in Anhang II) sind wahrscheinlich am besten für den Einstieg in die visuelle Analyse mit Schüler*innen geeignet.
 
  • Narrative Analyse
Zwar sind nicht alle Denkmäler figurativ, aber sie alle erinnern an die Geschichte von Einzelpersonen oder Gruppen, Helden oder Opfern. Die Lehrkraft kann die Schüler*innen bitten, Vermutungen darüber zu äußern, ob sie vom Äußeren her erkennen können, welcher Personen und Gruppen gedacht wird. Anschließend wird zusammen über den Grund dafür nachgedacht und diskutiert, welche Geschichten hier erzählt und durch die Inschrift auf dem Denkmal in den Vordergrund gerückt (und welche vielleicht ausgeblendet) werden.

Das Museum Berlin-Karlshorst ist ein gutes Beispiel hierzu, das die Schüler*innen zum Nachdenken über die Darstellung der Geschichte in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft anregt und sie mit der Frage konfrontiert, was es wert ist, erinnert zu werden, und warum (siehe Lernaktivitäten).
 
  • Analyse von Symbolen
Schließlich führt dieser Ansatz die Lehrkräfte und ihre Schüler*innen zu einer Analyse von Symbolen (d.h. allgemein bekannten Zeichen, die als Bild für eine bestimmte Person, Gruppe, Idee, einen Wert oder eine Eigenschaft stehen), die auf dem Denkmal dargestellt sind. Sowohl durch die Ikonographie als auch durch die Identität(en) der Menschen, derer gedacht wird, können sie gemeinsam hinterfragen, welche Werte durch die Errichtung der Gedenkstätte aufrechterhalten werden. Möglicherweise sind es Werte, die für die lokale/regionale/nationale Identifikation in der Vergangenheit und für die Förderung des Gemeinschaftsgefühls wichtig sind.

Vergangene und gegenwärtige Auseinandersetzungen um Gedenkstätten und Denkmäler können zugleich darauf hinweisen, dass diese Werte nicht umfassend sind oder nur eine begrenzte Sicht auf die Geschichte und die betroffenen Gemeinschaften vermitteln. So kann beispielsweise die hohe Dichte lokaler Kriegerdenkmäler ein starkes Gefühl regionaler und nationaler Identität sowie den Gemeinschaftsstolz wecken — dies war insbesondere bei Gedenkstätten der Fall, die unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg entstanden und sich auf einen Konflikt bezogen, der in der Erinnerung vieler Menschen im Zweiten Weltkrieg lebendig blieb.1

Vergleichende Ansätze

Zusätzlich zu den oben genannten Vorschlägen müssen die Schüler*innen verstehen, dass keine Gedenkstätte isoliert von anderen Denkmälern betrachtet werden sollte. Das heißt, Gedenkstätten werden in einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort geschaffen. Als solche stützen sie sich auf gemeinsame Kulturvorstellungen, zum Beispiel die Bedeutung von Wäldern in Deutschland oder von formalen Gärten in Großbritannien. Es gibt kulturelle und gesellschaftliche Normen des Gedenkens, die Gedenkstätten beeinflussen, sowie Netzwerke von Symbolen, die sie miteinander verbinden. Das Nachdenken über Gedenkstätten und Denkmäler ermöglicht es den Schüler*innen, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem besuchten Ort und anderen Beispielen zu verstehen, dabei beginnen sie auch transnational zu denken. Der Vergleich regt die Schüler*innen zur Reflexion darüber an, wie sich das Gedenken von Gesellschaft zu Gesellschaft und im Laufe der Zeit unterscheidet.

Der Blick über die nationalen Geschichten hinaus fördert bei den Schüler*innen einen multiperspektivischen Ansatz. Diese Einstellung ist sowohl an einem einzigen Ort (an dem möglicherweise mehrere Erzählungen in Erscheinung treten) als auch grenzüberschreitend nützlich, um zu verstehen, wie verschiedene Gruppen, Staaten und politische Regime ähnlicher Ereignisse gedenken.

Definitionen von Multiperspektivität

Im Folgenden werden zwei Definitionen von "Multiperspektivität" verwendet. Multiperspektivität als:
  1. Vielfalt gegenwärtiger Sichtweisen und Deutungen eines historischen Ereignisses bzw. Zeitraums
  2. Veränderung der Perspektiven auf ein bestimmtes historisches Ereignis bzw. einen bestimmten historischen Zeitraum im Laufe der Zeit (Vergangenheiten-Gegenwarten-Zukünfte) 

1. Vielfältige gegenwärtige Sichtweisen und Deutungen eines historischen Ereignisses bzw. Zeitraums

Der Zweite Weltkrieg gehört immer noch zu den prominentesten Themen im Geschichtsunterricht. Jedes neue Lehrbuch fügt eine weitere Interpretation hinzu und die für die Erschließung des Themas verwendeten Ressourcen variieren je nach den im Unterricht beleuchteten Perspektiven.

Gedenkstätten des Zweiten Weltkriegs stellen eine besondere Art von Quellen dar, da sie im Allgemeinen eine textliche Unterstützung benötigen, um produktiv untersucht werden zu können. Als solche Unterstützung kommt meist das Lehrbuchwissen in Frage oder aber auch Texte zu Debatten über die Errichtung der jeweiligen Gedenkstätte oder zu den Sichtweisen darauf im Laufe der Zeit. Ohne textliche Unterstützung können Gedenkstätten jedoch ebenso genutzt werden, etwa als Einstieg in ein Thema, indem sie die Schüler zu einer unmittelbaren Analyse und/oder emotionalen Reaktionen veranlassen.

Unterschiedliche gegenwärtige Sichtweisen auf eine Gedenkstätte wurzeln oft in kulturellen oder politischen Überzeugungen und werden in der Lebenswelt der Schüler*innen über Medien, Gemeinschaften, Familien usw. verbreitet. Um vielfältige heutige Sichtweisen, von denen einige vielleicht gegensätzlich sind, im Geschichtsunterricht vorstellen und hinterfragen zu können, muss die Lehrkraft Quellen bereitstellen, an denen klar wird, wie sie zur Begründung ihrer gegenwärtigen Position die Geschichte gebrauchen (oder missbrauchen). Eine gute Kenntnis des historischen Kontextes der Gedenkstätte ist sehr wichtig, hierzu können Lernstrategien wie Vergleichen und Kontrastieren eingesetzt werden.

Die Beschäftigung mit einer Gedenkstätte, die in der Lebenswelt der Schüler*innen ein sensibles Thema darstellt, kann für Lernaktivitäten im Klassenzimmer unter Umständen zwar herausfordernd sein, bietet aber auch die Möglichkeit, die staatsbürgerlichen Kompetenzen der Schüler*innen in Bereichen wie analytische und kritische Denkfähigkeit, Empathie, Konfliktlösungsfähigkeit und Ambiguitätstoleranz zu stärken.

2. Unterschiedliche Perspektiven auf ein bestimmtes historisches Ereignis bzw. einen bestimmten historischen Zeitraum im Laufe der Zeit (Vergangenheiten-Gegenwarten-Zukünfte)

Relikte des Zweiten Weltkriegs wie Konzentrations- und Vernichtungslager, Schlachtfelder oder Friedhöfe werden seit jeher als Gedenkstätten genutzt und für politische Zwecke interpretiert. Dies kann im Unterricht thematisiert werden, z.B. durch eine Auswahl von Schulbuchauszügen aus einem Land, die zu verschiedenen Zeiten seit 1945 erschienen sind, oder aus Ländern mit verschiedenen politischen Regimen. Ein multiperspektivischer Ansatz ermöglicht den Schüler*innen einen Einblick in die Veränderungen, die im Laufe der Zeit bei der Betrachtung einer bestimmten Epoche, Generation oder Ideologie geschehen, und macht deutlich, dass es in der Geschichte keine absoluten Wahrheiten gibt, auch wenn sie es oft außerhalb (oder innerhalb) des Klassenzimmers anders hören müssen.

Die Nutzung von Gedenkstätten aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg (etwa Denkmälern) im Unterricht kann ebenfalls von einem mehrperspektivischen Ansatz profitieren. Solche Gedenkstätten wurden in einer bestimmten Nachkriegssituation geschaffen, in der eine Gesellschaft oder ein Teil einer Gesellschaft ein bestimmtes Motiv hatte, die Errichtung des Denkmals zu initiieren, und in vielen Fällen wurden solche Gedenkstätten im Laufe der Zeit neu interpretiert. Die Lehrkräfte können sich entweder auf physische Nachweise für Neuinterpretationen (Entfernung, Umgestaltung, neue Inschriften oder Tafeln usw.) oder Quellen beziehen, die Veränderungen erklären, begründen oder in Frage stellen. Durch die Auseinandersetzung mit vielfältigen Meinungen und Argumenten, die über die Jahre geäußert wurden, lernen die Schüler*innen, dass Gedenkstätten ständig politisch gebraucht oder missbraucht werden. Sie können dann darüber nachdenken, welche Vorstellungen von Gedenkstätten ihre Generation hat, und sich vorstellen, wie zukünftige Generationen die Gedenkstätten des Zweiten Weltkriegs interpretieren werden.

Die Hinzuziehung solcher multiplen Betrachtungsweisen trägt zur Entwicklung von Kompetenzen wie Wissen, kritischem Verständnis von Sprache und Kommunikation, analytischer und kritischer Denkfähigkeit, Zuhören und Beobachten sowie Wertschätzung kultureller Vielfalt bei.

Unterrichtswege

Im Allgemeinen gibt es 3 Möglichkeiten, wie man über Gedenkstätten unterrichten kann:
  1. Lernaktivitäten im Klassenzimmer
  2. Lernaktivitäten im Klassenzimmer und beim Gedenkstättenbesuch
  3. Besuchsbezogene Lernaktivitäten

1. Lernaktivitäten im Klassenzimmer

Je nach der Art des Lehrplans, den allgemeinen Zielen des Lernprogramms sowie dem Thema und den angestrebten Ergebnissen der Lernaktivität kann eine Unterrichtsstunde unter verschiedenen didaktischen Blickwinkeln geplant und erarbeitet werden. Mit einem „didaktischen Blickwinkel“ ist eine Lernstrategie gemeint, deren Anwendung die Lehrkraft von den Schüler*innen in einer Unterrichtsstunde oder einer Unterrichtssequenz erwartet.
Bei einem didaktischen Blickwinkel geht es primär um die Wahrnehmung, wie z. B.:
  1. Anfangs- bzw. Aktivierungsphase (z. B. Hausaufgabe, Evaluierung der Hausaufgabe, Brainstorming)
  2. Verstehensphase (verschiedene Ebenen des Verstehens und der Anwendung des Verstandenen)
  3. Reflexionsphase (einschließlich der Bewertung in der Klasse durch Schüler*innen oder Schüler*innen und die Lehrerkraft, etwa in Form von Gruppendiskussionen, wie sie unten bei Lernaktivitäten beschrieben werden)

Bei einem anderen didaktischen Blickwinkel steht die selbständige Erschließung im Mittelpunkt, mit der bestimmte Lernstrategien für Hausaufgaben und Arbeit im Unterricht wie z.B. Einzelarbeit, Einzelpräsentationen, Paararbeit, Gruppenarbeit, Klassenarbeit sowie Präsentationen (mündlich oder schriftlich) verknüpft werden, die das Ergebnis der gewählten Lernstrategien sind. Ein Beispiel für diesen Blickwinkel könnte sein, dass die Schüler*innen in Gruppen verschiedene Quellen zur Debatte über eine Gedenkstätte studieren, sich Notizen machen und dann den anderen Gruppen die wichtigsten Thesen aus den Quellen vorstellen. Diese Präsentationen dienen als Ausgangspunkt für eine Klassendiskussion über die Gedenkstätte als Beispiel für den Gebrauch und Missbrauch von Geschichte.

Eine Lernaktivität im Klassenzimmer, bei der es um Gedenkstätten geht, kann auf viele Arten strukturiert sein. Eine Möglichkeit ist, dass ein bestimmtes Thema (z. B. Zweiter Weltkrieg) mit Hilfe des Lehrbuchs behandelt wird, wobei im Allgemeinen historische Quellen, unter anderem Bilder von Gedenkstätten, herangezogen werden. Gedenkstätten können aber auch im Mittelpunkt einer Lernsequenz stehen, z.B. indem man mit einem Bild einer Gedenkstätte beginnt und dann die Analyse und Reflexionen zur weiteren Nutzung der Gedenkstätte durch Einbeziehung von Lehrbuchwissen und relevanten Quellen unterstützt.
 

2. Lernaktivitäten im Klassenzimmer und beim Gedenkstättenbesuch

Wenn ein Besuch vor Ort möglich ist, kann er den Unterricht über Gedenkstätten im Klassenzimmer auf verschiedene Weise bereichern.

Vor dem Besuch

Die oben genannten didaktischen Blickwinkel gelten auch hier. Im Allgemeinen sind die Schüler*innen mehr gespannt auf den Besuch einer Gedenkstätte, wenn sie sich darauf gründlich vorbereitet haben. Bekommen die Schüler*innen im Vorfeld des Besuchs Aufgaben, z.B. Präsentationen zu erstellen, die sie während des Besuchs zeigen sollen, und genug Zeit, diese im Unterricht vorzubereiten, dürften sie in der Vorbereitungsphase ein höheres Maß an Motivation aufweisen. Ein Beispiel für eine solche Präsentationsaufgabe wäre: 1. Beschreiben Sie die physischen Eigenschaften der Gedenkstätte; 2. Nutzen Sie Ihr Wissen aus dem Lehrbuch, um zu erklären, warum diese Gedenkstätte eine wichtige Quelle für uns ist; 3. Lesen Sie die Inschrift auf dem Denkmal laut vor und nehmen Sie Stellung dazu, ob die Inschrift für Jugendliche noch bedeutsam ist. Hier bietet sich die Gruppenarbeit als Strategie an, vor allem für eine große Klasse, wenn die Lehrkraft möchte, dass mehrere Schülerpräsentationen beim Besuch stattfinden. Die Gruppenmitglieder können verschiedene Aufgaben bekommen, um die Präsentation vorzubereiten, dabei sind Rollen zu verteilen und zu beschreiben, die Vorbereitungszeit muss geplant und für die Rückmeldung zu den Beiträgen der Gruppenmitglieder gesorgt werden. Aufgaben wie diese können die Fähigkeiten der Schüler zum selbstständigen Lernen, Kooperationsfähigkeit und Verantwortlichkeit fördern.

Während des Besuchs

Schülerpräsentationen beim Besuch einer Gedenkstätte unterscheiden sich unter Umständen stark von Präsentationen im Klassenzimmer, ebenso wie die Lernergebnisse.

Erstens findet die Präsentation in einem öffentlichen Bereich statt, oft unter freiem Himmel. Damit die Kommunikation mit den Mitschüler*innen gelingt, muss der/die Vortragende die Gruppe an einem abgelegenen Ort versammeln sowie klar und deutlich sprechen, um sicherzustellen, dass der Inhalt tatsächlich aufgenommen wird. Zweitens bietet die Physikalität gerade bei Denkmälern zusätzlich die Möglichkeit, sich um sie herum zu bewegen und aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, sodass man künstlerische und kulturelle Interpretationen hervorheben und gleichzeitig den historischen Inhalt vermitteln kann. Das bedeutet aber, dass die Schüler*innen ihren Vortrag so planen müssen, dass die Informationen mit den jeweiligen Perspektiven auf den Ort interagieren können. Zu den angestrebten Lernergebnissen des Besuchs vor Ort gehören Kompetenzen wie Wissen und kritisches Verständnis von Sprache und Kommunikation sowie Zuhören und Beobachten.

Nach dem Besuch

Zurück im Klassenzimmer wird Zeit für die Bewertung/Reflexion der Lernaktivität in der Klasse benötigt, damit klar wird, inwieweit der angestrebte Kompetenzerwerb erreicht wurde. Die Lehrkraft kann die Reflexionseinheit so gestalten, dass die Schüler*innen zunächst und vor allem zu Wort kommen, entweder in Gruppenarbeit oder im Plenum. Sie können Stellung nehmen und diskutieren, ob und wie der Unterricht vor dem Besuch zum Erfolg der Aktivitäten vor Ort beigetragen hat und was für einen zukünftigen Besuch noch verbessert werden könnte. Die Schüler*innen sollten ermutigt werden, ihre jeweiligen mündlichen Präsentationen und eventuell auch die Qualität ihrer persönlichen Beiträge zu bewerten. Die Lernaktivität zur Gedenkstätte Brückenkopf Șerpeni in Moldawien enthält beispielsweise mehrere Arbeitsblätter, die die Schüler*innen zur Beschreibung des Denkmals anleiten, außerdem eine Fotosuche und Fragen zum Nachdenken.

Eine Unterrichtseinheit im Anschluss an den Besuch ist auch wichtig, um über die Gedenkstätte als historische Quelle, die heute über die Vergangenheit erzählt, zu reflektieren. Wie gut hat sie als zusätzliche Quelle für die Schüler*innen, die sich mit dem Thema befassen, funktioniert? Wie könnte es von künftigen Generationen von Schüler*innen oder Besucher*innen im Allgemeinen interpretiert werden? Ein schriftliches Feedback wäre hier auch möglich.
 

3. Besuchsbezogene Lernaktivitäten

Ein Besuch an einem außerschulischen Lernort beinhaltet oft eine professionelle Begleitung, kann aber auch von der Lehrkraft geplant und durchgeführt werden. Ein Besuch eignet sich sowohl zur Vertiefung des bereits behandelten Unterrichtsstoffes als auch zum Einstieg in das nächste Thema. Der Besuch ist kein Ersatz für den vorbereitenden Unterricht im Klassenzimmer und selbständiges Lernen: es ist wichtig zu bedenken, dass man von den Informationen, die während einer Führung/eines geführten Besuchs vermittelt werden, möglicherweise nur einen Teil behält. Die Lehrkraft muss (möglichst in Zusammenarbeit mit dem Guide) zwei oder drei Schlüsselinhalte/-fragen festlegen, die die Schüler*innen nach dem Besuch „mitnehmen“ sollten und die im Unterricht sonst nicht so prominent im Vordergrund stehen würden. Bei Besuchen in ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagern könnte dies z.B. der Begriff der wissenschaftlichen Neutralität sein, der zu hinterfragen wäre mit anschließender Diskussion, wie er zu einem Werkzeug rassistischer Politik wurde; oder der industrielle Charakter der Vernichtungsstätten.

Schlussfolgerung

Die Nachkriegsgesellschaften haben sich im Laufe der Zeit politisch und kulturell verändert und im Zuge dieser Veränderungen haben die Erinnerungsorte an den Zweiten Weltkrieg stets eine wichtige gesellschaftliche Rolle gespielt. Sowohl historische Orte als auch in der Nachkriegszeit entstandene Gedenkstätten wurden und werden genutzt, um beispielsweise Interpretationen des Zweiten Weltkriegs je nach dem politischen oder kulturellen Kontext zu unterstützen oder in Frage zu stellen.

Daher ist es unerlässlich, dass sich der schulische Geschichtsunterricht dazu verpflichtet, Gedenkstätten des Zweiten Weltkriegs in einer Weise zu behandeln, die ihrem Missbrauch entgegenwirkt. Gleichzeitig sollte der Unterricht die Schüler*innen dazu anregen, ihre Kompetenzen zur kritischen Analyse der von diesen Gedenkstätten aufrechterhaltenen Narrative einzusetzen. Letztlich zielt dieser pädagogische Ansatz für den Geschichtsunterricht darauf ab, den Respekt für Vielfalt und das interkulturelle Verständnis junger Menschen zu fördern und zu stärken.

1 Siehe zum Beispiel: Veterans Affairs Canada (2022). ‘Canadian National Vimy Memorial’, https://www.veterans.gc.ca/eng/remembrance/memorials/vimy, letzter Zugriff: 18. Januar 2023.

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